Vor 3 Jahren schlugen uns die ukrainischen Entwickler 4A Games mit Metro 2033 einen echten Röhrenshooter um die radioaktiv verstrahlten Ohren. Basierend auf dem gleichnamigen Schinken von Dmitri Gluchowski bestach der Vorgänger durch eine gelungene Technik, eine interessante Handlung und eine sehr dichte Atmosphäre. Jetzt, im Jahre 2013, wo laut Buch der Planet eigentlich nuklear eingeebnet werden soll, kriecht der Nachfolger aus dem zerfallenen Moskauer U-Bahn-System. Doch nicht etwa Metro 2034, sondern Metro Last Light. Grund dafür, ist der Umstand, dass der Nachfolger nicht mehr der Handlung des Buches folgt, sondern, vom Original inspiriert, eine eigene Storyline weiterspinnt. Öde wie ein gefliester U-Bahn-Schacht oder aufregend wie blind über Schienen stolpern?
Artjom, der stumme Bombenleger, hat‘s geschafft. Dank ihm stellen die Schwarzen nun keine Bedrohung mehr für die Metro dar, da er heldenhaft die gesamte Population der schwarzen Gefahr auf einen Schlag ins Jenseits gebombt hat. Doch jetzt, ein Jahr später ist erneut eine dieser Plagen aufgetaucht, ein „Kind“, das nicht im Flammensturm verendet ist. So wird er, mittlerweile ein Mitglied des Ordens, einer hehren Organisation zum Schutze der Metro, erneut ausgesandt, sein blutiges Werk zu vollenden. Doch es keimen Zweifel in Artjom auf. Was, wenn sie den Menschen nichts Böses wollten? Egal, Befehl ist Befehl. Doch kurz vor dem Zugriff wird ihm ein Gewehrkolben beschleunigt an die Schläfe gelegt und er erwacht in den schmierigen Kavernen des Reichs, dem Nazi-Verein der Metro, der nach genetischer Reinheit strebt und alle Untermenschen kurzerhand vergasenderweise entsorgt.
Dort trifft er auf Pawel, Mitgefangener, selbstverständlich genetisch wertlos, Anhänger der Roten Linie und somit Vollblut-Kommunist. Zusammen mit der roten Socke gelingt Artjom die Flucht und die beiden machen sich auf zu Pawels Heimathaltestelle. Neben Fahrkarten und Fisch gibt’s da auch Kunst und Cancan zu bestaunen. Doch leider wird Artjom von den Hammer-und-Sichel-Schwingern volles U-Bahn-Rohr verarscht und landet im nächsten Folterkeller. Auch hier gelingt ihm die Flucht und er schnappt noch das ein oder andere Gerücht über die Lieblingsbeschäftigung der Menschheit auf. Es ist nämlich wieder mal Krieg angesagt, gab’s ja schon lang nicht mehr. Also flugs die Pazifisten-AK geladen und ab nach Hause, das muss verhindert werden. Doch zwischen ihm und seinem Sackbahnhof liegen etliche Gefahren, Monster, eingestürzte Schächte, aber auch kleinere Zwischenstationen voller, oh Wunder, friedlicher Menschen. Artjoms Reise beginnt. Und was es mit dem kleinen Schwarzen auf sich hat will auch noch entdeckt werden, denn was zählt, ist die Mission.
War es den PS3-lern beim Vorgänger noch nicht vergönnt, durch die Röhren Moskaus zu schleichen, dürfen sie bei Metro Last Light jetzt auch Artjoms Schritte lenken. Und diese beginnen in D6, dem vermeintlichen Mekka der Moskauer Metro, denn es gehen Gerüchte um, dass sich dort Vorräte für 100 Jahre befinden. Und hier kommt ein neues Element des Nachfolgers zum Tragen. In der Metro haben sich nämlich vier Splittergruppen Überlebender gebildet, die hier neben Monstern, Radioaktivität und zerstörter Oberfläche eine große Rolle spielen. Neben erwähnten Nazis und Kommunisten gibt es noch die Handelsgemeinde Hansa und die neutralen Beschützer der Menschen, den Orden. Und wie es bei divergierenden Ideologien so ist, haben sie alle den Drang, sich gegenseitig die Schädel einzuschlagen, auch wenn es nur noch wenige Zehntausend Menschen gibt. Metro Last Light präsentiert hier sehr eindrucksvoll die ewig währenden Auseinandersetzungen der Menschen, die selbst angesichts der drohenden totalen Auslöschung der Menschheit nicht die Finger vom Abzug lassen können. Insgesamt ist die Handlung sehr gelungen und wird eindrucksvoll durch Dialoge und Tagebucheinträge präsentiert. Dabei wird einem nicht uninspiriert alles vorgekaut, sondern viel offenbart sich durch Belauschen. Gerade zur zweiten Hälfte hin wird neben dem mondänen politischen Beef noch etwas Mystik und Fantasy eingestreut, was dem Spiel aber keinesfalls schadet, sondern die Rolle der Schwarzen näher beleuchtet und geschickt einbettet. Interessant sind dabei die zwei verschiedenen Enden, die an die Entscheidungen und Handlungen des Spielers gekoppelt sind. Das ist aber kein stumpfes „Drücke X für Aktion A, drücke O für Aktion B“, sondern alles zählt und wird am Schluss ausgewertet. Prächtig gelöst.
Dabei schafft es das Spiel, nicht nur den Gesamtkonflikt sehr überzeugend darzustellen, sondern schreckt auch nicht davor zurück kleinere Dramen menschlichen Gegeneinanders sehr emotional darzustellen. Im Handumdrehen gelingt es der Story, in mir einen tiefen Hass auf Banditen aufzubauen. Neben Entführung und Ermordung unschuldiger und gebrochener Flüchtlinge, wird auch vor Vergewaltigung kein Halt gemacht. Themen, die eigentlich gern umgangen werden, aber in der realen Welt leider Gang und Gäbe sind, werden hier passend angesprochen, was ich dem Spiel hoch anrechne. Dabei begeht Metro nicht den Fehler, in stumpfen Pathos abzudriften, sondern beweist durchgängig das nötige Feingefühl und schafft dadurch eine enorm dichte Atmosphäre, die den Spieler jederzeit mitnimmt. Trotz Leichenbergen und schockierenden Flughafengemetzeln: Kein Bombast-COD hat bisher so etwas hinbekommen.
Neben solchen extremen Momenten gibt es aber auch die ruhigeren Szenen, zum Beispiel in den dicht bevölkerten Stationen, in denen normale Menschen hausen. Hier könnte man Stunden damit verbringen, den Menschen einfach nur bei ihrem Tagwerk zuzuschauen, sich ihre Geschichten anzuhören und einfach das dichte Leben der Metro zu erfahren. Hier stolpern keine leeren Hülsen durch die Schächte, sondern jeder hat was zu erzählen, wobei der Spieler nicht im Mittelpunkt allen Seins steht, sondern einfach nur der Besucher ist, der zufällig Konversationen aufschnappt. Und das ist eine selten gesehene Stärke von Metro Last Night.
Natürlich wird hier auch geballert. Dafür stellt einem die Waffenkammer Metros eine ganze Reihe unterschiedlicher Schießprügel zur Verfügung. Von der klassischen AK über selbstgebastelte Schrotgewehre bis hin zu pneumatischen Kugellagergewehren und weiterem Mordwerkzeug, steht Artjom einiges zur Verfügung, sich seinen Feinden zu erwehren. Drei Wummen darf man mitschleppen und bei Gelegenheit auch modifizieren, zum Beispiel mit Nachtsichtvisier, vergrößertem Magazin und rückstoßdämpfendem Kolben. Munition ist eigentlich immer knapp, was zu einem schleichenden Vorgehen und Leichenfledderei einlädt. Die Feuergefechte gegen menschliche Gegner erweisen sich aber meist erstaunlich simpel, da deren Intelligenz selten von 12 bis Mittag reicht. Taub scheinen sie zudem auch zu sein, merken sie doch nicht einmal, wenn ich bei einer Zweiergruppe, die sich gerade unterhält, einen davon ausknipse. Auch wenn irgendwo Lichter ausgehen, fragt sich keiner, warum, oder schaut gar nach. Das reißt einen schon ein wenig aus der Illusion und hätte vermieden werden sollen.
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Gefechte gegen mutierte Bewohner der Metro hingegen haben Anspruch. Lichtempfindliche Spinnenmutanten, bärenähnliche Wolfsrudel oder drachenähnliche, stark gepanzerte Flugwesen machen dem Protagonisten das Überleben schwer. Die ziehen sich auch mal zurück, flankieren den Spieler und schicken ihn auch des Öfteren, gerade in den höheren Schwierigkeitsgraden, gern unter die Erde. Schleichen funktioniert hier nämlich nicht, und sie sind immer in der Überzahl. Hier ein Beispiel: Artjom stapft über die verstrahlte Oberfläche, Gasmaske ist ein Muss. Über seinem Kopf kreist bedrohlich eine dieser verflucht zähen Flugechsen. Das Visier ist schon ordentlich mitgenommen, da die Leiche, der man es abgenommen hat, nicht besonders gesund aussah. Wenn es bricht war’s das sowieso und zudem werden die Luftfilter knapp. Es ertönt ein markerschütterndes Heulen, gar nicht so weit weg. Und schon bricht ein Rudel Telepathen, erwähnte Bärwolfmutanten, aus den Ruinen und der verstrahlten Vegetation Moskaus. Natürlich aus drei verschiedenen Richtungen. Und der Tanz kann beginnen. Solche Kämpfe können an Intensität kaum überboten werden, da es einem eigentlich immer an irgendwas mangelt, sei es Munition, Sauerstoff oder anständige
Bewaffnung. Gerade an der weitläufigen Oberfläche mit ihren tausend Geräuschen geht einem schon ordentlich die Muffe, da wirklich alles den Tod Artjoms will. Klasse!
Das Ganze wird technisch wunderschön auf die Netzhaut zelebriert. Die hauseigene 4A Engine zaubert hübsch abwechslungsreiche Grafik-, Partikel- und Lichteffekte auf den Bildschirm und läuft dabei absolut flüssig. Abstriche muss man aber leider in Sachen Mimik der Charaktere machen, die wirkt streckenweise recht hölzern. Doch Feuer, Licht- und Schattenspielchen und vor allem Wasser werden ausgezeichnet dargestellt. Selten war ein verstrahlter Sumpf bei Sonnenaufgang schöner. Und noch nie wirkten zerfallene U-Bahnschächte interessanter. Manchmal aber laden die Texturen recht spät, was zum Teil matschige Oberflächen entstehen lässt. Insgesamt muss sich die Engine aber hinter keiner der Großen verstecken und holt auch aus den Konsolen wirklich viel raus.
Auch beim Sound hat sich 4A Games nicht lumpen lassen. Kernige Waffensounds, bedrohliche Geräuschkulisse und exzellenter Score untermalen das gesamte Geschehen hochklassig. Gerade an der eigentlich toten Oberfläche blitzt manchmal sogar leichte Survival-Horror-Atmosphäre durch, was den ausgezeichneten Sounds zuzuschreiben ist. Extra erwähnt werden muss noch die Spitzensynchronisation. Die englischen sowie die deutschen Stimmen machen einen ausgezeichneten Job und intonieren einwandfrei russische Akzente sowie stimmige Emotionen. Metro Last Night ist für mich eins der ganz wenigen Spiele, das man auch bedenkenlos auf Deutsch genießen kann.
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