Necromunda: Hired Gun
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BEWERTUNG |
21.06.2021 von Beef SupremeNecromunda: Ein heillos überbevölkerter Industrieplanet im 40. Jahrtausend, der vom Imperium der Menschen fast komplett ausgebeutet und ökologisch ruiniert wurde. Berge zu Staub zermahlen, blühenden Landschaften in Wüsten verwandelt und immerwährende Gewalt in überquellenden Makropolen, in denen sich die Menschen stapeln. Ein lohnendes Pflaster für einen Kopfgeldjäger, wenn ein Menschenleben gerade mal einen Drink wert ist und sich sowieso jeder hasst. Willkommen in Necromunda: Hired Gun
Planlos in der Makropole
Als namenloser Kopfgeldjäger wird man ohne Kontext in die erste Mission geworfen. Hier, deine Waffe, erschieße alles was sich bewegt. Klingt geil, erklärt aber erstmal nix. Nachdem sich dieser Auftrag als Hinterhalt erwiesen hat, wird man ganz klassisch von einem Unbekannten aus einer auswehlosen Situation gerettet und vom sicheren Tod zurück in das Lotterleben auf Necromunda zurückgeholt. Aufgebohrt mit ein paar Implantaten befindet man sich nun in Martyr’s End, dem Hub des Spiels und der einzige Ort, an dem man nicht beschossen wird. Von hier aus soll sich wohl die Story vorantreiben lassen, irgendwas mit Verrat und einer unbekannten Fraktion, die irgendwas möchte, angeführt von einem ominösen Silver Talon. Wirklich kohärent, verständlich oder gar interessant ist die Story nicht, macht aber auch nix, hier geht’s nämlich um rohe Gewalt und verantwortungslosen Schusswaffengebrauch.
Doomhammer 40k
Von Minute Eins wird klar, von welchem Vorbild sich Necromunda: Hired Gun die Inspiration geborgt hat. Schwere Stromgitarren, endlose austauschbare Gegnerhorden und ein Haufen großkalibriger Schießprügel, mit denen man seine Widersacher in saftige Fleischhaufen verwandelt. Ganz wie in den neueren Doom-Teilen belastet man sich hier nicht mit taktischem Vorgehen oder Stealth sondern konzentriert sich auf möglichst viel Blei pro Minute und maximale Mordrate. Neben einem recht umfangreichen Waffenregal, das eine Reihe ikonischer Warhammer 40K-Flinten wie den Bolter oder Plasmagewehre bereithält, stehen auch Fähigkeiten wie Zeitverlangsamung, erhöhter Nahkampfschaden oder ein Energieschlag im Nahkampf zur Verfügung. Und wenn das nicht reicht, steht einem noch der treue Mastiff zur Seite, der Feinde aufspüren, sichtbar machen und um ihre Kehlen erleichtern kann. Dazu gesellen sich Doppelsprung, Greifhaken und Wallrun für maximale Mobilität. Also eigentlich alles da für eine geile Gewaltorgie, die den Badass-Regler auf 11 knüppelt. Nur leider sieht die Realität etwas anders aus.
Wohin mit der Munition?
Die Probleme beginnen schon damit, dass man, bis über beide Ohrläppchen bewaffnet und aufmunitioniert dasteht und nicht weiß wohin mit dem ganzen Schwarzpulver. Scheinbar haben alle Gangs auf Necromunda eine Ninja-Fortbildung durchlaufen, da sie fast perfekt eins mit der Umwelt werden und fast unsichtbar sind. Klartext, die Gegnersichtbarkeit ist miserabel und fast immer wird man erst durch gegnerische Treffer darauf aufmerksam gemacht, dass man nicht alleine ist. Dazu kommt, dass die Gegner sehr gerne in des Kopfgeldjägers Rücken erscheinen, selbst in bereits befriedeten Gebieten. Nicht etwa um eine Ecke herum oder in zeitlich adäquatem Abstand, um das Pacing oben zu halten; es genügt teilweise, einen Feind zu erledigen, sich umzudrehen, um sich dem nächsten zu widmen und noch bevor die Überreste des ersten Toten zu Boden platschen steht schon der nächste da. Unschön.
Stirb für mich
Zum Thema Heilung, Necromunda ist da old school unterwegs. Hier gibt’s keine automatische Regeneration, dafür wird nach einem Treffer für kurze Zeit Schadensumwandlung aktiviert, der geneigte Zocker kennt das unter Lifesteal, also ausgeteilter Schaden wird in Lebenspunkte umgewandelt. Ohne dieses System wäre Necromunda unspielbar, da sich die zahllosen Feindeshorden ausnahmslos das Schmerzzentrum haben entfernen lassen. Egal wie groß der Bleipfropfen ist, der gerade in den Brustkorb eindringt, der Widersacher ballert unbeeindruckt weiter, bis er sich in einen lauen Regen aus Blut und Gedärm auflöst. Und wann das geschieht, weiß auch nur der Imperator. Manche Feinde, der gleichen Klasse versteht sich, platzen nach 2 Treffern, andere schlucken bis zu 10. Taktische Zielpriorisierung kann man damit vergessen.
Schattiges Souterrain aus Rost und Blut
Wenn sich das Spiel auch einiges vorwerfen lassen muss, mangelnde Atmosphäre gehört nicht dazu. Die Levels sind allesamt gewaltig und vermitteln bestens die Größe des Planeten und eigentlich allem im W40K-Universum. Züge größer als Städte, Höhlen deren Decken man nur erahnen kann, turmhohe Grabenwände, hier wird geklotzt. Aber Größe ist nicht alles, denn dadurch geht hin und wieder die Orientierung verlustig. Verstärkt wird das Problem dadurch, dass sich viele Assets und Levelelemente zu oft wiederholen. Wenn der gigantische Zug aus 10 identischen Wagons besteht, ist das schon nicht mehr so beeindruckend. Schade ist auch, dass die Farbpalette wohl heruntergefallen sein muss, da die meisten Levels nur aus Rost und Blut bestehen. Selbst wenn Details vorhanden wären, man erkennt sie nicht, da der größte Teil sehr eintönig koloriert ist und sich kaum was abhebt. Dies ist auch Teil des Problems mit der erwähnten Gegnersichtbarkeit.
Ich hab‘ nichts zum Schießen
Wer kennt’s nicht? Man steht vor einem brechend vollen Waffenschrank und hat trotzdem nix zum Töten. Ähnlich geht’s auch dem Kopfgeldjäger. Der Waffenüberschuss nimmt zwar nicht die Ausmaße eines Borderlands an, dennoch geizt Necromunda nicht mit den Bleispritzen. Zumindest theoretisch. Denn man wird auf 5 Waffenslots begrenzt, von denen einer mit einer nicht tauschbaren Pistole belegt ist und zwei weitere für andere Pistolen reserviert sind. Bleiben also 2 Slots für mehrere Sturmgewehre, Granatwerfer, schwere MGs, Schrotflinten, Bolter, Plasmagewehre, Sniper und und und…
Interessanter sind hingegen die Fähigkeiten durch Augmentationen. Die lassen sich, wie auch die Knarren, in Martyr’s End bei einem Ripperdoktor gegen Bares erwerben und verbessern. Und das sollte man möglichst schnell tun, bieten sie doch enorme Vorteile gegen die erdrückende Übermacht, die durch die Höhlen Necromundas kreucht und fleucht. Unterteilt in 5 Kategorien wie Arme, Beine, Hirn etc. muss zunächst das Grundlevel der Kategorie gesteigert werden bis dann die eigentlichen Fähigkeiten bis maximal auf das Level der Kategorie verbessert werden kann. Ein ziemlich kostspieliges System, zumal der Preisanstieg vergleichbar mit der aktuellen Preisentwicklung für Grafikkarten ist.
10 Leichen zum Mitnehmen, bitte
Um die nötige Barschaft für teure Verbesserungen, Waffen oder Waffenmods zusammenzukratzen, kann man neben den Hauptmissionen auch Nebenmissionen annehmen. Leider sind dies uninspirierte Hol- und Bring-Quests in den gleichen Levelabschnitten, die man zuvor in den Storymissionen absolviert hat. Mal müssen Leichen oder Munitionskisten gesammelt, mal bestimmte Ziele ausgeschaltet werden. Das Label ändert sich zwar marginal, das Gameplay hingegen nicht. Renn‘ durch den Level, erschieße alles, was sich bewegt und drücke an bestimmten Punkten eine Taste – Ende. Nur das hier das Spawnproblem noch größer ist und die Gegnermassen noch erdrückender. Gerade zu Anfang kann es passieren, dass man für einen Appel und ein Ei zig Mal ins Gras beißt, weil die Lebens- und Schildenergie noch zu gering, die Waffen zu schäbig und die Fähigkeiten zu schwach sind. Das Problem gibt sich mit der Zeit, was aber nix an der mangelnden Abwechslung und dem öden Missionsdesign ändert. Wenn man die Ambition hat, alle Fähigkeiten aufs Maximum zu bekommen und jede Waffe maximal zu verbessern, kommt man um die Nebenmissionen nicht drum herum, doch für ein einfaches Durchkommen sind sie nicht erforderlich. Der Loot und die Kohle aus den Hauptmissionen reichen meist für eine oder zwei Anschaffungen. Immerhin gibt es abseits der Hauptmissionen etwas zu tun, auch wenn das System hastig zusammengeklöppelt und aufgesetzt wirkt.
Early Access zum Vollpreis
Bevor angesichts der Überschrift Verwirrung aufkommt, Necromunda: Hired Gun gilt als „fertig“. Ist es aber nicht. Bei kaum einem Spiel hatte ich so viele Probleme wie hier. Auf Playstation 5 konnte ich kaum eine Mission ohne Absturz beenden. Anfangs habe ich noch gezählt, was ich aber nach dem zehnten Absturz aufgegeben habe. Nach jeder Ladeunterbrechung, ins Level rein, aus dem Level raus oder Neustart nach Tod, ist es reines Glücksspiel, ob man auch zum Spielen kommt. Innerhalb einer Mission kann beispielsweise ein unbedachter Waffenwechsel zum Absturz führen. Teilweise geht dabei auch Fortschritt verloren, was angesichts von teils fehlerhaften Eventtriggern doppelt ärgerlich ist. Neben diesen schwereren technischen Fehlern fallen die kleinen Probleme kaum noch ins Gewicht, dennoch der Vollständigkeit halber, eine Auswahl: Oft genug kommt es vor, dass die Musik im Spiel nicht erklingt und man in völliger Stille einen Boss bekämpfen muss. Nicht schlimm, aber ein Atmosphäre-Killer. Nerviger ist ein Fehler mit dem ohnehin schon umständlichen Waffenmenü, wenn die Slots als leer angezeigt werden, obwohl sich dort Waffen befinden. Kennt man sein Loadout nicht auswendig, greift man jedes Mal in eine Wundertüte.
Und wenn’s mal doch funktioniert…
… bewegen wir uns technisch bestenfalls im Mittelmaß der letzten Generation. Necromunda sieht nicht wirklich schlecht aus, aber eben auch nicht gut. Niedrig aufgelöste Texturen, sich häufig wiederholende Charaktermodelle, schwache Lichteffekte und Slowdowns machen schnell vergessen, dass man hier die Version für PS5 spielt. Zudem werden keinerlei Features des DualSense abseits von einfacher Vibration genutzt. Man muss aber auch sehen, dass es sich hier um einen A-, maximal AA-Titel handelt, und angesichts dessen, geht der optische Eindruck in Ordnung, zumal eben atmosphärisch viel richtiggemacht wird. Auf PS5 lässt sich immerhin das Sichtfeld ändern, was keine Selbstverständlichkeit ist.
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