Road 96
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BEWERTUNG |
07.05.2022 von LorD Avenger
Ein Land in politischem Aufruhr, das grausam zu seinen Jugendlichen ist – viele von ihnen ziehen los, um es unter Einsatz ihres Lebens zu verlassen…
Inhalt
Petria wird seit Jahren von dem diktatorischen Tyrak regiert und abgeschottet. Die einzige Grenze im Land ist eine militärische Hochburg und ein Durchkommen wird nur aus wirtschaftlichen Zwecken genehmigt. Endlich stellt sich aber eine mutige Kandidatin zur Wahl auf, die Besserung verspricht – laut den Wahlprognosen hat sie aber keine Chance. Das liegt u.a. auch daran, dass Tyrak grausam mit der wahlberechtigten Jugend umgeht. Teenager, die elternlos unterwegs erwischt werden, sammelt man als Landesverräter ein und schickt sie in Arbeitslager, wo niemand je wieder etwas von ihnen hört. Dennoch lassen sich viele der jungen Menschen davon nicht entmutigen und machen sich selbst vollkommen mittellos auf den Weg, um etwas für das Land oder zumindest für sich selbst zu ändern, indem sie durch die Grenze fliehen.
Road 96 erzählt die Geschichten von gesichtslos Jugendlichen, die über tausende Meilen hinweg ihrer Freiheit entgegenziehen. Alle haben einen anderen Startpunkt und ihre Reisen verlaufen vollkommen unterschiedlich. Entweder durch Laufen, per Anhalter, mit dem Bus, dem Taxi oder einem gestohlenen Wagen können sie sich zwischen ihren persönlichen Stationen bewegen, die am Ende alle auf der Grenzstraße Road 96 zusammenlaufen. Diese Stationen sind vollkommen unterschiedlich, entsprechen meist aber vollkommen einem Roadtrip: Straßenrand-Diner, einsame Telefonzellen oder Bushaltestellen mitten im Nirgendwo, Natursehenswürdigkeiten wie beeindruckende Klippenlandschaften. Überall trifft man dabei auch vereinzelt auf Leute und der wahre Sinn des Spiels ist nicht etwa die Geschichte des Protagonisten zu erleben, sondern die der Gelegenheitsbekanntschaften, die sich in anderen Teilen des Landes auf dem Roadtrip eines anderen Jugendlichen wiederholen, um ihre Storys zu ergänzen und zu vervollständigen.
Wir treffen auf einen freundlichen Trucker, der Verbindungen zu einer terroristischen Vereinigung zu haben scheint, auf Jugendliche, die das Land entweder auf radikale Art befreien oder ebenfalls dem Land entfliehen möchten, auf strohdoofe Räuber, einen psychopathischen Taxifahrer, eine Polizistin mit inneren Konflikten oder auch dem größten Prominenten des Landes, einer Nachrichtensprecherin. Schnell stellt sich auch heraus, dass ihre Geschichten wiederum miteinander verbunden sind.
Gameplay
Jede Runde des Spiels, jeder neue Roadtrip, beginnt mit der Auswahl des zu spielenden Jugendlichen. Nur anhand von schwarzen Silhouetten kann man ihr Aussehen erahnen, aber relevant sind ohnehin nur die darunter aufgelisteten Daten. Wie viel Geld haben sie bei sich und wie viel Energie steht ihnen momentan noch zur Verfügung. Ebenfalls wird angezeigt, wie viele Meilen sie noch von der Grenze entfernt sind, das hat aber nicht wirklich einen Einfluss darauf diese schneller oder mit weniger Stopps zu erreichen. Relevant sind die oben genannten Faktoren, weil sie das Spiel vorzeitig beenden könnten. Geht einem Jugendlichen beispielsweise unterwegs die Energie komplett aus, bricht er am Wegesrand zusammen und stirbt oder wird gefangen genommen, was gleichbedeutend mit einem Game Over ist. Geld hingegen hilft in erster Linie beim Verhindern desselben. Ist genug vorhanden, kann man sich Lebensmittel zur Stärkung kaufen, Rubbellose zur weiteren Geldbeschaffung, wenn man sich vom Glück geküsst fühlt oder auch korrupte Polizisten bei einer schief laufenden Verkehrskontrolle bestechen. Am relevantesten wird Geld aber meist zum Ende eines Spieldurchlaufs, wo es für einige Varianten der Grenzüberwindung in prallen Massen notwendig ist.
Road 96 spielt sich wie ein sehr simples Point and Click Adventure im Stile der Telltale-Spiele (The Walking Dead, Game of Thrones) und konzentriert sich weniger auf das Sammeln, Kombinieren und Einsetzen von Items und mehr auf das Durchsuchen von Umgebungen und die Interaktion mit NPCs. Ziel an jedem Stopp eines Roadtrips ist es, so viel Geld wie möglich zu finden / zu verdienen, seinen Energiehaushalt bestmöglich durch Essen oder Schlaf aufzufüllen und die dortige Story zu durchleben, um weiterziehen zu können. In den Dialogen mit anderen Figuren kann man stellenweise eigene Entscheidungen treffen und somit den Verlauf beeinflussen oder zumindest seine eigene politische Gesinnung mit den Mitmenschen teilen und sie dadurch auch ein wenig in ihren eigenen Ansichten beeinflussen. Oftmals ist das was man sagt und tut natürlich auch entscheidend dafür, ob man seinen nächsten Stopp überhaupt noch erreicht oder zum nächsten Jugendlichen wechseln muss.
Beeinflussende Faktoren beim Gameplay ergeben sich durch das Vorantreiben der immer wiederkehrenden Nebenfiguren, deren Fortschritt man im Pause-Bildschirm verfolgen kann. Von ihnen erhält man über kurz oder lang nämlich Fähigkeiten und Werkzeuge, die ab diesem Zeitpunkt sämtlichen Jugendlichen zur Verfügung stehen. Hacken ermöglicht so das Öffnen von elektronisch gesicherten Türen oder Tresoren, der Dietrich hingegen knackt die altmodischen Schlösser. Hinzugewonnene Cleverness eröffnet neue Dialogoptionen, ein Glücksbringer erhöht die Erfolgsrate bei den zahlreichen Zufallsaktionen. Das ist eine enorme Hilfe für die späteren Teenager, da sie so häufiger auf Geld stoßen oder auch auf die Schlüssel, die notwendig sind, um ein Auto zu stehlen.
Die letzten Stationen sind dann bei jedem Jugendlichen gleich, wenn ihre Wege auf der Road 96 zusammenlaufen und man sich entscheiden muss, auf welchem Weg man versuchen möchte auf die andere Seite der Grenze zu kommen. Alle Varianten sind mit ihren ganz eigenen Tücken versehen, die man vorher nicht erahnt. Man kann über den Berg klettern, der aber voller gefährlicher Sprungpassagen ist, die arg an der Ausdauer kratzen, man kann einen Kojoten beauftragen oder einen Zollbeamten bestechen, was aber Unsummen an Geld kostet, man kann einen alten Tunnel benutzen, sich gefälschte Papiere besorgen oder sich in einem Lastwagen verstecken, der allerdings gründlichst durchsucht wird. Nicht immer bedeutet eine unzureichende Vorbereitung auch gleich das bittere Ende für den gewählten Weg, da das Spiel einem gerne eine Alternativlösung präsentiert. Eins ist aber immer gleich: Kein Weg kann zwei Male genutzt werden, da sich die Grenzbewacher auf die Ideen der Flüchtenden einstellen und diese fortan verhindern.
Grafik
Die Grafik ist auf jeden Fall der schwächste Punkt im Spiel. Auf den ersten Blick ist die abgerundete Cartoon-Grafik zwar sehr sympathisch und auch sehr passend für das Spiel, näher betrachtet bringt es aber einige nicht unbändig störende, aber zumindest doch unschöne Elemente mit sich. Schaut man einigen Figuren in die Augen haben sie teilweise echt ungesunde Gelb- oder Rotfärbungen, beobachtete man ihre Körperteile, dann sieht man sie auch nicht selten durch feste Materie hindurchtauchen. Selbst in geskripteten Sequenzen, in denen man einer Figur hinterherlaufen muss, sieht man dann direkt vor sich, wie sie geisterhaft durch einen halben Baum hindurchschreitet. Am schlimmsten aber war die einzige Videozwischensequenz in der vorletzten Episode des Spiels, die einem auf der PS5 aus unerklärlichen Gründen in der pixeligen Auflösung eines PS1-Spiels gezeigt wird. Auch das Nutzen von unsichtbaren Wänden ist meiner Empfindung nach nicht mehr zeitgemäß. Cover & Bilder © 2022 KOCH MEDIA GMBH Das Fazit von: LorD Avenger
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