35MM
|
BEWERTUNG |
22.03.2022 von Beef Supreme35MM – nein, kein verheerendes Geschützkaliber, sondern ein Filmformat für analoge Fotografie. Und der Name des vorliegenden Spiels eines russischen Indie-Entwicklers. Angesiedelt in einer unbequemen Post-Apokalypse lässt sich dieses Produkt als Spaziergang-Simulator einordnen. Vergleichbare Vertreter des Genres wie The Vanishing of Ethan Carter oder Firewatch haben bereits gezeigt, dass laufen erzählerisch fesselnd umgesetzt werden kann. Ob 35MM dies auch gelingt, erfahrt ihr hier.
Im Wald hört dich niemand reden
Die Geschichte des Spiels startet in einer abgelegenen und heruntergekommenen Hütte irgendwo in einem russischen Wald. Zwei Reisende brechen auf, wohin erfährt man zunächst nicht, genauso wenig, wie man dorthin gekommen ist.
Was mach‘ ich hier eigentlich?
Irgendwann erreicht man ein Dorf, wo eine der wenigen Mechaniken, das Quicktime-Event, eingeführt wird. Ein Bärenangriff muss überstanden werden und dafür muss eine eingeblendete Taste gedrückt werden. Oder gehämmert. Oder gehalten. Wer weiß das schon. Mangels dieser Information wird der erste Versuch zum Glücksspiel. Übersteht man diesen Angriff, schickt uns unser Begleiter zum Wasser holen. Dafür braucht’s einen Eimer. Und der ist irgendwo im Dorf. Und da die Sprachausgabe ausschließlich auf Russisch erfolgt, ist man auf die Untertitel angewiesen. Die deutschen Texte schwanken qualitativ allerdings zwischen Google-Übersetzer und Wörterbuch-Würfeln. Das meiste lässt sich zwar irgendwie zusammenreimen, doch manchmal bleiben die Texte unvollendet und es fehlen Infos, was es jetzt zu tun gibt. Ein Muster, das sich durch das gesamte Spiel zieht.
Leere…
Ohne auf die weiteren austauschbaren, tristen und leeren Locations einzugehen, das Spiel hangelt sich von unspektakulärem Ort und Ereignis zum nächsten, ohne dem Spieler einen Roten Faden anzubieten. Man läuft halt eine Strecke ab und ackert sich durch offenere Gebiete, weil es das Spiel erwartet, nicht weil es ein belohnendes Erlebnis wäre. Und quasi an jeder Ecke entdeckt man neue technische oder spielerische Unzulänglichkeiten. Hölzerne Charakter-Animationen gesellen sich zu nicht lippensynchroner Sprachausgabe, die von schlecht übersetzten, manchmal auch ganz fehlenden Texten untertitelt werden.
Rätseln und ballern
Versucht man all das auszublenden und sich nur auf die Reise zu konzentrieren, kann man vereinzelte Lichtblicke entdecken. Wie zum Beispiel eins der wenigen Rätsel in einer U-Bahn-Sektion sind tatsächlich kreativ, wenn auch etwas zu leicht. Leider sind solche Ausbrüche aus dem ewig gleichen Trott zu selten und zu weit auseinander, um für die nervigen Botenquests zu entschädigen.
Ratlos in Russland
Wenn wenigstens die Geschichte entschädigen würde, könnte man über die vielen Probleme leichter hinwegsehen. Doch es gibt kaum Momente, die eine Geschichte erzählen. Läuft man einigermaßen aufmerksam durch die Welt, erfährt man durch herumliegende Zeitungsartikel, dass eine Ebola-artige Krankheit einen Großteil der Menschen ausradiert hat. Die Überlebenden versuchen in einer kargen und kaputten Welt klarzukommen. Das Spiel serviert eine Aneinanderreihung von Sequenzen, die dieses Überleben zeigen soll. Bauernfamilie, die von Banditen überfallen werden, Plünderer, Betrüger, Verräter, klassische Post-Apokalypse-Klischees werden hier bedient, ohne dabei wirklich Immersion zu erzeugen. Man sieht sich das eben als Zuschauer an, doch es entsteht keine Bindung zu den Ereignissen.
Von Körnern und Hühnern
Atmosphärisch macht 35MM hingegen einiges richtig. Das triste Grau in Grau vermittelt eine Trostlosigkeit, wie sie auch in der Welt vorherrscht. Unterstützt von einem gelungenen, wenn auch zu aufdringlich abgemischten Soundtrack, erfüllt eine wohlige Endzeitstimmung das Spiel. Sogar gewisse Horror-Elemente haben den Weg ins Spiel gefunden und wurden wirkungsvoll umgesetzt. Hier zeigt sich, was möglich gewesen wäre, wenn das Spiel mehr Feinschliff erhalten hätte und spielerisch abwechslungsreicher gestaltet worden wäre.
30 Frames of Grey
Technisch braucht man auch keine Wunder zu erwarten. Die Grafik erinnert an das Ende der PS2-Ära und reißt heute niemanden mehr vom Hocker. Man sieht dem Spiel seine Indie-Herkunft an, vor allem bei den hölzernen Animationen und den sich auffällig oft wiederholenden Objekten in einer viel zu leeren Welt.
Cover & Bilder © Noskov Sergey © Sometimes You Das Fazit von: Beef Supreme
|
|
Kommentare[X]