Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Originaltitel: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl
Genre: Drama
Regie: Caroline Link
Hauptdarsteller: Riva Krymalowski
Laufzeit: DVD (114 Min) • BD (119 Min)
Label: Warner Home Video
FSK 0

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl   09.09.2020 von Dan DeMento

1971 erschien der Roman Als Hitler das rosa Kaninchen stahl von Judith Kerr, der seitdem zur festen Lektüre in vielen Schulen gehört, wenn es um das Dritte Reich geht. Nachdem das Buch schon 1978 für das Fernsehen verfilmt wurde, brachte 2019 Regisseurin und Oscarpreisträgerin Caroline Link (Nirgendwo in Afrika) ihre Version des Stoffs ins Kino. Zum Blu-ray-Release haben wir überprüft, ob der Film einen ebenso nachhaltigen Eindruck hinterlässt wie seinerzeit das Buch.

 

Inhalt:

 

Die neunjährige Anna Kemper (Riva Krymalowski) wächst in recht wohlhabenden und behüteten Verhältnissen in Berlin auf. Das ändert sich schlagartig, als die Nationalsozialisten drohen, an die Macht zu kommen, denn Annas Vater Arthur (Oliver Masucci) ist nicht nur Jude, sondern auch ein öffentlich bekennender Gegner von Hitler und seiner Partei. Von einem Freund bei der Polizei rechtzeitig gewarnt verlässt er das Land, der Rest der Familie folgt einige Tage später. Durch die überstürzte und heimliche Abreise muss die Familie fast alles zurücklassen, so auch Annas rosa Stoffkaninchen. Die Flucht in die Schweiz verläuft gut, doch auch hier herrscht Angst vor Hitler, so dass Arthur keine Arbeit findet. So ziehen Anna, ihre Eltern und ihr Bruder Max (Marinus Hohmann) weiter nach Paris, wo eine jüdische Zeitung Einkommen verspricht. Doch inzwischen hat Hitler ein Kopfgeld auf Arthur ausgesetzt...

 

Der Roman Als Hitler das rosa Kaninchen stahl ist stark autobiografisch geprägt, Autorin Judith Kerr verarbeitete darin ihre eigene Flucht vor den Nazis nach England. Als der Roman 1971 in England und 1973 dann auch in Deutschland erschien, erreichte er eine ganz neue Zielgruppe. Noch nie zuvor war die Geschichte des Dritten Reichs aus der Perspektive eines Kindes, und auch kindgerecht geschrieben, erzählt worden.

 

Und auch diese zweite Verfilmung hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. In einer Zeit, in der rechtes Gedankengut wieder mehr und mehr salonfähig wird, tut es vielleicht ganz gut, sich die eigene Geschichte wieder ins Gedächtnis zu rufen und sich zu erinnern, dass auch die Deutschen eine Flüchtlingshistorie haben. Das Misstrauen und der nur wenig verholene Hass, der der Familie entgegenschlägt, wird von der neunjährigen Anna noch gar nicht so wahrgenommen. Für sie sind es eher die Kleinigkeiten, die Sprachprobleme, die kulturellen Unterschiede und natürlich vor allem der Verlust der Heimat, symbolisiert durch das rosa Kaninchen.

 

Dass Caroline Link ein gutes Händchen für die Verfilmung solcher Stoffe hat, hat sie schon mehrfach bewiesen. 2003 erhielt sie den Oscar für ihre Verfilmung des autobiografischen Romans Nirgendwo in Afrika von Stefanie Zweig und 15 Jahre später brachte sie mit Der Junge muss an die frische Luft die Kindheit von Hape Kerkeling in die Kinos.

 

Und auch bei Als Hitler das rosa Kaninchen stahl schafft sie es, das Gefühl das Buchs in das Medium Film zu transportieren. Die Geschichte wird zum größten Teil aus der Perspektive der neunjährigen Anna erzählt und ist dabei kindgerecht, ohne kindisch zu sein. Auch wenn Hitler und die Nationalsozialisten nur als vage Bedrohung auftauchen und nie wirklich greifbar werden, wird doch nichts verschwiegen oder beschönigt. Details wie die Bücherverbrennung, die Kopfgelder auf politische Gegner und der immer größer werdende Judenhass fließen immer wieder in die Geschichte ein, während Anna aber andere Probleme viel mehr beschäftigen.

 

Natürlich wurde die Geschichte des Romans gestrafft, Handlungsstränge wurden vereinfacht und Figuren weggelassen, die Essenz der Geschichte wurde aber beibehalten. So ist der Film bei aller Tragik optimistisch, in einigen Momenten sogar fröhlich. Als erwachsener Zuschauer ertappt man sich dabei, dass es einem manchmal "zu wenig" ist, dass der Schrecken des Dritten Reichs nicht genug im Vordergrund steht. Dann muss man sich aber in Erinnerung rufen, dass die Zielgruppe - bei Film wie Buch - Kinder und Jugendliche sind. Und für diese ist der Verlust eines Stoffkaninchens eben eindrucksvoller als alles andere.

 

Der Film funktioniert aber natürlich nicht nur wegen seines guten Drehbuchs, vor allem wurde bei der Wahl der Darsteller ein extrem gutes Händchen bewiesen. Oliver Masucci (Er ist wieder da) spielt mit einer extremen Anspannung, die sich aber, sobald er sich an seine Tochter wendet, hinter einer ebenso großen, aufrichtigen Heiterkeit verbirgt. Carla Juri, die bisher vor allem durch die Verfilmung von Feuchtgebiete auf sich aufmerksam machte, gibt der eigentlich nicht allzu großen Rolle der Mutter Dorothea eine überraschende Tiefe.

 

Bildergalerie von Als Hitler das rosa Kaninchen stahl (6 Bilder)

Die Last des Films liegt aber natürlich auf der Hauptdarstellerin Riva Krymalowski, und sie trägt sie mit Bravour. Die Neunjährige, die außer kleinen Serienauftritten keinerlei Schauspielerfahrung hatte, spielt die Rolle genau so, wie sie gespielt werden muss: Wie ein Kind. Wut, Angst, Enttäuschung, Freude, all das wirkt zu 100% echt und ungekünstelt. Selbst wenn alles andere an dieser Verfilmung nicht halt so gut wäre, wie es ist, Riva Krymalowski allein könne problemlos über die knapp 2 Stunden Laufzeit tragen.

 

So bleibt abschließend nur zu sagen, dass Als Hitler das rosa Kaninchen stahl für die heutige Generation hoffentlich die gleiche Aufgabe erfüllt wie der Roman es seit fast 50 Jahren tut: Aufmerksam machen, ohne zu belehren und ein Gefühl schaffen für das, was Kriege allen Menschen, alt wie jung, antun.



Cover & Bilder © 2019 Sommerhaus Filmproduktion GmbH, La Siala Entertainment GmbH / NEXTFILM Filmproduktion GmbH und Co. KG / Warner Bros. Entertainment GmbH


Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

 

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl ist eine mehr als gelungene filmische Umsetzung des großartigen Romans. Mögen alle Lehrer in der letzten Stunde vor den Ferien diesen Film wählen, und nicht Fack ju Göhte.


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