Die Känguru-Chroniken (X-Edition)
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BEWERTUNG |
20.08.2020 von Dan DeMento
2009 erschienen das Buch Die Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling. Es folgte ein selten dagewesener Hype, drei Fortsetzungen, Hörbücher, Theaterstücke, Gesellschaftsspiele und 2020 endlich auch eine Verfilmung, die am 20. August die Heimkinos erreicht. Wir durften vorab einen Blick darauf werfen und überprüfen, ob das Känguru auch "in Echt" eine gute Figur macht.
Inhalt:
Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) ist ein erfolgloser Kleinkünstler und lebt in Berlin-Kreuzberg. Als sich eines Tages ein Känguru (Stimme: Marc-Uwe Kling) zuerst die Zutaten für Eierkuchen bei ihm leiht und sich kurz darauf bei ihm vor der Polizei versteckt, beschließt es gleich bei ihm einzuziehen.
Dies geht einige Zeit mehr oder weniger gut, bis sich die beiden im nahe gelegenen Görlitzer Park mit ein paar Neonazis anlegen. Durch eine ungünstige Verkettung der Ereignisse demolieren diese daraufhin den Porsche von Jörg Dwigs (Henry Hübchen), der nicht nur Vorsitzender der rechtspopulistischen „Alternative zur Demokratie“, sondern auch Chef der „Unsere Heimat AG“ ist. Letztere plant mit dem Europa-Tower ein Prestige-Projekt, für den nicht nur große Teile des Görlitzer Park, sondern auch das Wohnhaus von Marc-Uwe und dem Känguru weichen sollen.
Nun gilt es schnell zu handeln, und so gründet die ungleiche Wohngemeinschaft mit einigen Nachbarn kurzerhand das "Asoziale Netzwerk", um die Pläne von Jörg Dwigs zu vereiteln.
Mit den Känguru-Chroniken verbindet mich eine Geschichte des Zwiespalts. Ich fand es in Buchform grandios und freute mich entsprechend auf die Hörbuch-Fassung. Diese - vom Autoren selbst gelesen - wiederum fand ich aufgrund der Stimme des Kängurus so anstrengend, dass ich nach wenigen Sätzen abbrechen musste. Nun darf man dem Erfinder der Figur wohl eine gewissen Deutungshoheit bezüglich der Umsetzung zugestehen, für mich war der ironische, hintersinnige Humor des Buchs aber einfach nicht mit der nervigen, anstrengenden Stimme des Kängurus vereinbar.
Der Zwiespalt bestand auch 11 Jahre später noch und so blickte ich mit einer Mischung aus Angst und Vorfreude auf die Verfilmung. Und um dem geneigten Zuschauer diese Angst gleich zu nehmen: Das Känguru ist - bis auf die ersten Minuten, die wohl hauptsächlich für die Fans der Hörbücher gedacht sind, nicht so nervig wie befürchtet. Das liegt hauptsächlich daran, dass es sich in der Verfilmung in eine Riege von durchwegs sehr talentierten Darstellern einfügt und teilweise darin sogar ziemlich untergeht.
Insgesamt wurde der Transport in das Medium Film recht gut gemacht. Die Bücher sind sehr episodisch aufgebaut, und folgen zwar einem groben roten Faden, haben aber keinen klassischen Plot. Das wurde mit dem Grundgerüst des Europa-Towers sehr hübsch gelöst und führt auch neue Zuschauer durch die Handlung.
Mit dem Stichwort "neue Zuschauer" kommen wir aber leider auch schon zu einem großen Schwachpunkt des Films. Die Känguru-Chroniken ist in erster Linie eines: Fan-Service. 70% der Szenen, Dialoge und Figuren sind aus den Büchern (primär natürlich dem ersten Band) übernommen, 20% sind neu und weitere 10% sind eine "Hommage" an Filme von Pulp Fiction bis The Big Lebowski. Leider sind diese Momente in der Regel viel zu lang und so sehr im Vordergrund, dass sie eher nerven als amüsieren.
Und so ist es leider auch hier wie so oft, wenn ikonische Figuren verfilmt werden: Die Macher ruhen sich zu sehr auf dem schon Erprobten aus. Die darumgewobene Handlung ist zwar wie erwähnt sehr gut gelöst, aber letztlich doch nur Mittel zum Zweck. So etwas wie Spannung kommt zu keinem Zeitpunkt auf und so schafft Die Känguru-Chroniken es leider nicht, sich von dem leidigen Attribut "deutsche Komödie" abzuheben.
Natürlich ist alles etwas anarchischer, härter und abgedrehter als beim reinen Mainstream, trotzdem ist der Film einem Fack Ju Göhte stilistisch leider immer noch viel näher als beispielsweise einem Bang Boom Bang oder Soul Kitchen. Offenbar hat sich Regisseur Dani Levy - der mit seinem 2007er Werk Mein Führer ja schon recht gegensätzliche Reaktionen provozierte - zu sehr vom Kultcharakter des Kängurus einschüchtern lassen, um wirklich etwas Neues zu wagen. Schade, denn der Humor der Vorlage gäbe sicher mehr her.
Handwerklich dagegen ist dem Film nichts vorzuwerfen. Die Darsteller sind durch die Bank passend besetzt und spielen ihre Rollen überzeugend. Neben Hauptdarsteller Dimitrij Schaad, der hier seinen ersten Kinoauftritt vorlegt, ist hier vor allem Bettina Lamprecht zu erwähnen, die den meisten Zuschauern vor allem als Nachbarin Frau Bruck in Pastewka bekannt sein dürfte. Sie spielt Jeanette, die Geliebte von Jörg Dwigs, mit einer Bösartigkeit und Ironie, die einfach nur Spaß macht.
Und auch das Känguru selbst macht eine gute Figur: Gesprochen - wie gewohnt - vom Autor Marc-Uwe Kling selbst und per Motion Capturing gespielt von Volker "Zack" Michalowski, wurde bei der Animation eine gesunde Mitte von Realismus und Comic gefunden, so dass man es von Anfang an als "echten" Charakter akzeptiert.
Abschließend lassen mich Die Känguru-Chroniken leider mit dem gleichen Zwiespalt zurück wie schon 2009. Ich mag die Vorlage, ich finde die Verfilmung in vielen Aspekten gelungen, in mindestens genauso vielen aber auch nicht. Ich denke, die Verantwortlichen wären besser damit gefahren, sich ein bisschen mehr zu trauen und eine ganz neue Geschichte zu erzählen, anstatt einen 08/15-Plot um möglichst viele bekannte Zitate herumzuspinnen, um die Fans glücklich zu machen.
So bleibt letztlich "Frühsport mit Helge" mit Abstand der witzigste Moment des Films.
Details der Blu-ray:
Das Bild ist fehlerlos und frei von Störungen, die Farben natürlich und kräftig. Der Ton kommt gut verteilt aus den Boxen, hat aber rein effekttechnisch auch nicht allzu viel zu tun. Insgesamt wurde offenbar auf eine fröhliche, fast kinderfilmartige Optik abgezielt, und dieses Ziel wurde auch gut erreicht. Schön ist, dass es einiges an Bonusmaterial gibt. Das gibt zwar nicht allzu viel Einblick hinter die Kulissen, ist aber immerhin recht unterhaltsam.
Cover & Bilder © X FILME CREATIVE POOL GMBH / ZDF / TRIXTER GMBH / ARRI MEDIA PRODUCTIONS 2020 Das Fazit von: Dan DeMento
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