Hegemony

Hegemony

Genre: Aktionsauswahl • Ressourcenmanagement • Asymmetrisch
Autor: Vangelis Bagiartakis, Varnavas Timotheou
Illustrator: Jakub Skop
Spieleverlag: Hegemonic Project Games, GiantRoc
Empfohlenes Alter: Ab 14 Jahren
Spieldauer: 90-180 min

Hegemony   22.06.2024 von 2-PL4Y3R5

Das Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft und seine Auswirkungen auf die Gesellschaft und jeden Einzelnen von uns ist kein einfaches Thema. Und dann das Ganze in einem Spiel verpackt, das auch noch Spaß machen soll? Hegemony hat das geschafft. Führe Arbeiterklasse oder Mittelschicht zu mehr Wohlstand, bringe der Kapitalistenklasse mehr Profit oder übernimm die Rolle des Staates, der alles irgendwie zusammenhält. Hegemony war unsere Entdeckung des Jahres und begeistert durch seine Realitätsnähe, sogar dann, wenn einem das Thema selbst eher kalt lässt.

 

Das Material und die Vorbereitung

 

Das Spielmaterial in Hegemony ist durchweg von hoher Qualität: Die Spieler Tableaus sind Double Layer, es gibt Spielerhilfen für jede Klasse, die aus Karton mit Leinen-Finish gefertigt sind. Die Arbeiter kommen in hübschen Formen und Farben und sind screen printed. Das Insert bietet für alles Platz und hält auch Karten in Premium Hüllen – allerdings sehr tight. Die Box Größe ist genau richtig, um Platz für alles zu haben, ohne Platz zu verschwenden – was ja immer ärgerlich ist, denn Platz im Regal ist rar. Und auch die Grafik, das Design und die Ikonographie des Spielbretts und der Karten haben uns sehr zugesagt. Es ist minimalistisch und übersichtlich, aber dennoch optisch sehr ansprechend. Die Übersichtlichkeit ist auch notwendig, denn im Spielverlauf gibt es viel zu überblicken.

 

Die Spieldauer zeigt bereits: bei Hegemony handelt es sich um ein richtig großes Spiel. Dennoch geht der Aufbau verhältnismäßig zügig. Als Erstes das Spielbrett in die Tischmitte. Und wenn ihr Pech habt, stellt ihr fest, dass der Tisch bereits voll ist. Denn das Spielbrett misst 56 x 84 cm. Ihr benötigt aber auf jeden Fall noch Platz für die Tableaus der Spieler, die ebenfalls jeweils 28 x 16 cm messen, und für jede Menge Würfel, Münzen, Arbeiter, Kartendecks und anderer Materialien. Zum Glück finden die meisten Karten Platz auf dem Spielbrett.

 

Abhängig von der Spielerzahl sind nur bestimmte Klassen im Spiel. Zu zweit sind es Kapitalisten (blau) und Arbeiterklasse (rot). Zu dritt kommt die Mittelschicht (gelb) hinzu. Und erst im Spiel zu viert spielt auch der Staat (grau) mit. Werden Automas ins Spiel integriert, ist man freier in der Auswahl der Klassen bei niedrigerer Spieleranzahl. Schauen wir uns aber jetzt erstmal genauer an was es auf dem Spielbrett alles zu sehen gibt.

 

Das Spielbrett ist sehr durchdacht aufgebaut. Drei Bereiche sind den einzelnen Klassen zugeordnet, sodass die Sitzordnung vom Spielbrett vorgegeben wird. Unten links befindet sich die Auslage der Unternehmen der Mittelschicht, gelb umrandet. Darüber liegen die Unternehmen der Kapitalistenklasse aus, blau umrandet – hier gibt es etwas mehr Platz. Außerdem findet man im Kapitalisten-Bereich noch die Auslage für die Geschäfte sowie Export und Import. Auf Geschäfte kann nur die Kapitalistenklasse zugreifen. Export und Import ist auch für andere Klassen relevant. Öffentliche Unternehmen, die dem Staat gehören, findet man rechts unten. Darüber finden sich die Dienstleistungen des Staates - Bildung, Gesundheit und Medien-Einfluss - die der Staat mit seinen öffentlichen Unternehmen generiert, sowie die Staatskasse. Unternehmen, Dienstleistungen und das Geld des Staates liegen auf dem Spielbrett und sind auch dann relevant, wenn man nicht zu viert (also ohne den Staat) spielt. Spielt der Staat hingegen als vierter Spieler mit, so sind die Felder für die Zuschüsse und Ereignisse ebenfalls relevant. Hier kann der Staat einzelne Klassen mit Dienstleistungen oder Geld versorgen und die Ereignisse geben dem Staat Richtungen vor, in die sich die Politik entwickeln sollte. Ganz unten rechts findet man den Bereich der Arbeitslosen Arbeiter der Arbeiterklasse und der Mittelschicht und daneben das Kartendeck, das die Einwanderung steuert. Es fehlen noch zwei Bereiche: ganz oben links befindet sich der Politik-Bereich, in dem die politische Ausrichtung des Spielgeschehens in sieben verschiedenen Bereichen reguliert wird, u.a. Gesundheit, Bildung, Steuern oder Einwanderung. Und ganz oben rechts werden Spielrunde und Steuermultiplikator angezeigt und es gibt Platz für die Wahl-Würfel, die während den Wahlphasen aus einem Beutel gezogen werden, um über Gesetzesentwürfe zu entscheiden.

 

Zu Spielbeginn werden Unternehmenskarten ausgelegt. Öffentliche Unternehmen spielen immer mit, auch wenn der Staat nicht aktiv gespielt wird. Die Unternehmen der Mittelschicht sind nur ab dem Spiel zu dritt dabei. Außerdem werden direkt zu Spielbeginn Arbeiter der Arbeiterklasse (und ab dem Spiel zu dritt auch Arbeiter der Mittelschicht) verschiedenen Unternehmen zugewiesen. Das ist alles strikt festgelegt und in der Anleitung beschrieben und stellt faire Ausgangsbedingungen sicher. Zu Spielbeginn ist auch die politische Ausrichtung immer identisch und wird durch schwarze Politik Marker im Politik-Bereich angezeigt.

 

Neben dem Spielplan werden die Münzen, die für die Wahlen relevanten Einflussmarker und die Tokens für Waren (Nahrung und Luxusgüter) und Dienstleistungen (Gesundheit und Bildung) bereitgelegt. Das sind die sechs Ressourcen im Spiel. Außerdem werden die Wahl-Würfel für jede Klasse bereitgelegt und eine bestimmte Menge bereits in den Beutel platziert. Die Arbeiter der Arbeiterklasse und Mittelschicht werden nach Farbe sortiert neben dem Spielbrett platziert. Die einzelnen Farben repräsentieren die Spezialisierung der Arbeiter – so sind rote Arbeiter fürs Gesundheitswesen ausgebildet; einige Arbeitsplätze im Gesundheitswesen erfordern rote Arbeiter. Graue Arbeiter sind nicht spezialisiert; die meisten Arbeitsplätze erfordern keine Spezialisierung. Ebenso neben dem Spielbrett platziert werden die Lager-Plättchen, die Kartendecks für Geschäfte und Kredite und weitere Materialien, abhängig von der Spielerzahl.

 

Die einzelnen Spieler nehmen sich das passende Spieler Tableau ihrer Klasse. Die Tableaus jeder Klasse sehen unterschiedlich aus und haben unterschiedliche Bereiche. Jede Klasse spielt sich anders und so gibt es für jede Klasse einen Abschnitt in der Anleitung, um durch die Spielvorbereitung zu führen. Alle Klassen haben ein individuelles Aktionskartendeck aus 30 Karten, das gemischt bereitgelegt wird. Kapitalistenklasse und Mittelschicht haben zusätzlich ein Unternehmenskartendeck. Die Tableaus enthalten immer Platz für die verschiedenen Ressourcen und es gibt immer Leisten, auf denen Marker nach oben oder unten wandern können, um bestimmte Fortschritte zu tracken. Diese Leisten-Fortschritte sind oft Hauptquelle für Siegpunkte im Spielverlauf. So hat der Staat drei Legitimationsleisten für die drei anderen Klassen, um anzuzeigen wie „gut“ der Staat mit den drei Klassen aktuell steht. Die Kapitalisten haben eine Leiste, die das aktuelle Kapital trackt. Und die Arbeiterklasse und Mittelschicht verfolgen beide Wohlstand und Population. Die Arbeiterklasse hat zusätzlich Plätze für Arbeiter, die eine Gewerkschaft gegründet haben. Einige Plättchen sind ebenfalls bestimmten Klassen vorbehalten: Die Arbeiterklasse bekommt Streik- und Demonstrationsplättchen, die Kapitalistenklasse eine Freihandelszone und Maschinen-Token und der Staat die Wohlfahrtsplättchen. Zuletzt erhält jede Klasse seine Startressourcen und auch diese spiegeln deutlich die Klassenunterschiede wieder.

 

Hegemony kommt mit Spielerhilfen für jede Klasse. Jeweils eine große, 2-seitige, die man am besten in Ruhe vor der ersten Partie durchliest, um zu verstehen, was das Spieler Tableau zeigt und wie die Grundregeln seiner Klasse funktionieren. Erstaunlicherweise reicht das völlig aus, um mit seiner Klasse losspielen zu können. Es gibt noch eine kleine Spielerhilfe, die für jede Klasse eine Aktionsübersicht zeigt, sowie Berechnungen für die Steuer, die natürlich auch Klassen-spezifisch sind.

 

Das Spielziel

 

Wer nach einer Partie Hegemony die meisten Siegpunkte hat, gewinnt. Aber Siegpunkte bekommt jede Klasse auf ganz unterschiedliche Weise. Siegpunkte gibt es im Spielverlauf, während Aktionsphasen und Wertungsphasen und nochmal am Spielende. Mit der Erweiterung Krise und Kontrolle kommen noch geheime Zielkarten hinzu, die extra Siegpunkte geben.

 

Für die Arbeiterklasse und die Mittelschicht geht es hauptsächlich um Wohlstand, die sich über Bildung und Gesundheit verbessern lässt. Und diese kosten natürlich Geld – um das zu verdienen muss man seine Arbeiter in Unternehmen beschäftigen. Kapitalisten wollen ihr Kapital vergrößern. Dafür bauen sie Unternehmen, die Waren produzieren, um diese an die anderen Klassen oder ins Ausland gewinnbringend zu verkaufen. Die Mittelschicht ist in einer besonderen Situation und kann sowohl arbeiten als auch selbst Unternehmen gründen, Waren produzieren und verkaufen. Der Staat versucht stetig wechselnden politischen Agenden gerecht zu werden und alle Klassen gleichermaßen zu unterstützen, um seine Legitimität zu erhöhen. Übrige Ressourcen am Spielende sind für die verschiedenen Klassen unterschiedlich viel Wert und es gibt am Ende der Partie Extra Punkte, wenn die Politik Marker auf einer der Klasse entsprechenden politischen Ausrichtung stehen.

 

Der Spielablauf

 

Hegemony wird über fünf Runden zu je fünf Phasen gespielt. Die längste Phase ist die Aktionsphase, in der Spieler der Reihe nach am Zug sind und jeweils eine Hauptaktion ausführen, bis jeder fünf Hauptaktionen ausgeführt hat. Damit hat jeder Spieler im Spielverlauf 25 Hauptaktionen zur Verfügung. Die Reihenfolge der Phasen sind Vorbereitung, Aktion, Produktion, Wahl und Wertung. Bis auf die Aktionsphase sind die Phasen jeweils in mehrere Schritte unterteilt und aufgrund der Asymmetrie oft auch unterschiedlich für die verschiedenen Mitspieler. Aber keine Panik, die Spielerhilfen sind tatsächlich hilfreich und leiten sehr gut durchs Spiel.

 

Die erste Runde startet direkt mit der Aktionsphase, da die Vorbereitung bereits während des Spielaufbaus geschehen ist. Zu Spielbeginn haben alle Spieler 7 Aktionskarten ihres 30-Karten-Decks auf der Hand. Die Zugreihenfolge in der Aktionsphase ist immer dieselbe: es beginnt die Arbeiterklasse, gefolgt von Mittelschicht, Kapitalistenklasse und Staat. Ist man am Zug, so darf man eine der Aktionskarten spielen und abhandeln oder eine Karte ungenutzt abwerfen und eine Basisaktion ausführen. Die Aktionskarten sind meist verstärkte Basisaktionen, sodass man diese eigentlich immer spielen möchte, es sei denn man benötigt unbedingt eine der Basisaktionen, für die man keine Karte auf der Hand hat. Zusätzlich kann jeder Spieler vor oder nach dem Spielen oder Abwerfen einer Aktionskarte genau eine freie Aktion ausführen. Welche Basisaktionen und welche freien Aktionen zur Verfügung stehen ist Klassen-abhängig und auf der Spielerhilfe beschrieben.

 

Um einen besseren Eindruck zu bekommen, möchten wir kurz ein paar Beispiele für Basisaktionen und freie Aktionen der unterschiedlichen Klassen nennen. Zunächst ein paar Hauptaktionen:

 

  • Alle Klassen können einen Gesetzentwurf in einem der sieben Politik-Bereiche vorschlagen, über den dann in der Wahlphase durch eine Wahl entschieden wird.
  • Die Arbeiterklasse und die Mittelschicht haben Arbeiter, die sie einem Unternehmen zuweisen können. Diese können vom Arbeitslosen-Bereich oder einem anderen Unternehmen abgezogen werden.
  • Die Arbeiterklasse kann Gewerkschaften gründen, wenn mindestens vier Arbeiter in Unternehmen derselben Branche arbeiten. Das gibt Siegpunkte im Spielverlauf.
  • Die Arbeiterklasse kann Unternehmen bestreiken und so Lohnerhöhungen fordern, oder auch demonstrieren, wenn nicht genügend Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Das setzt Mittelschicht und Kapitalistenklasse unter Druck Unternehmen zu gründen.
  • Die Kapitalistenklasse und die Mittelschicht haben eine Auslage an Unternehmen, von denen sie eines gründen können, indem die Kosten bezahlt werden.
  • Die Kapitalistenklasse und die Mittelschicht können Waren ins Ausland verkaufen. Die Mittelschicht generiert dadurch auch direkt Siegpunkte.
  • Die Mittelschicht und die Arbeiterklasse können Waren und Dienstleistungen kaufen, und zwar aus verschiedenen Quellen: dem Auslandsmarkt, ggf. mit Steuern an den Staat oder den anderen Klassen, mit Ausnahme der Arbeiterklasse.
  • Die Mittelschicht kann eine extra Schicht einlegen und so in einem Unternehmen extra Waren produzieren, müssen aber auch ggf. Löhne an Arbeiter der Arbeiterklasse zahlen.
  • Der Staat kann eines der ausliegenden Ereignisse abhandeln und so meist seine Legitimität für eine oder mehrere der anderen Klassen erhöhen oder direkt Siegpunkte generieren.
  • Der Staat kann eine Kampagne ausführen und so Einfluss generieren oder eine extra Steuer erheben, um Geld von den anderen Klassen zu erhalten.

 

Und hier einige der freien Aktionen:

 

  • Die Kapitalistenklasse kann Arbeitern eines seiner Unternehmen einen Bonus von 5 Münzen zahlen, um diese Arbeiter zu verpflichten und ein Abwandern zu verhindern.
  • Die Kapitalistenklasse und die Mittelschicht können den Lohn in ihren Unternehmen anpassen, solange die gesetzlichen Vorgaben des Mindestlohns eingehalten werden.
  • Die Kapitalistenklasse kann Lager kaufen, um mehr Waren einlagern zu können. Das ist wichtig, weil die Produktionskapazitäten schnell anwachsen werden.
  • Alle Klassen können als freie Aktion einen Kredit abbezahlen. Für den Staat sehr wichtig, denn er kann Bankrott gehen, wenn er zu viele Kredite hat. Wieviel zu viel ist, bestimmt der Politik Marker im Bereich Fiskalpolitik.
  • Die Mittelschicht und die Arbeiterklasse können Luxusgüter, Gesundheit oder Bildung ausgeben, um den Wohlstand zu erhöhen und Siegpunkte zu erhalten. Wird Gesundheit ausgegeben, erhält man einen zusätzlichen Arbeiter. Wird Bildung ausgegeben, darf man einen untrainierten Arbeiter ausbilden und somit spezialisieren, damit er in bestimmten Unternehmen arbeiten kann. Hier ist der Arbeitsmarkt zu beobachten und auch ein Blick auf die ausliegenden noch nicht gebauten Unternehmen der Mittelschicht und der Kapitalistenklasse hilft bei der Entscheidung wie die Arbeiter zu spezialisieren sind.
  • Die Mittelschicht und die Kapitalistenklasse können die Preise für ihre Waren und Dienstleistungen anpassen.
  • Die Arbeiterklasse und die Mittelschicht können ihre beschäftigten, trainierten Arbeiter mit untrainierten Arbeitern in anderen Unternehmen tauschen.

 

Sind alle Mitspieler insgesamt fünfmal am Zug gewesen, ist die Aktionsphase abgeschlossen. Nun geht es weiter mit der Produktionsphase, die drei Schritte beinhaltet. Hier wird die Zugreihenfolge umgekehrt. Jeder Schritt wird zunächst vom Staat, dann der Kapitalistenklasse, der Mittelschicht und zuletzt der Arbeiterklasse durchgeführt. Das ist wichtig, weil z.B. die Mittelschicht erst Geld verdienen muss, um der Arbeiterklasse ihre Löhne auszahlen zu können. Im ersten Schritt „Produktion von Gütern und Dienstleistungen“ werden alle betriebsfähigen Unternehmen abgehandelt, d.h. solche mit Arbeitskräften. Sie produzieren die dargestellten Waren oder Dienstleistungen für ihren Besitzer und der Besitzer muss im Gegenzug die Arbeiter mit dem Lohn bezahlen, der mit einem Marker auf der Unternehmenskarte angezeigt wird. Im zweiten Schritt müssen Mittelschicht und Arbeiterklasse ihre Bedürfnisse decken, d.h. Nahrung ausgeben, entsprechend ihrer Population. Meist müssen sie dazu einen großen Teil der Nahrung kaufen, insbesondere die Arbeiterklasse, bye bye schönes Gehalt. Im dritten und letzten Schritt werden alle Klassen mit Ausnahme des Staats zur Kasse gebeten. Die Arbeiterklasse zahlt Einkommenssteuer. Die Mittelschicht zusätzlich Lohnsteuer. Und Kapitalisten natürlich neben Lohnsteuer auch Kapitalertragssteuer. Aber nur nicht abschrecken lassen, in der Praxis ist das sehr simpel gehalten. Einfach die hübschen Infografiken zurate ziehen und ggf. die Politik-Marker und den aktuellen Steuermultiplikator prüfen. Was wir hier, während der Erstpartie faszinierend fanden: Die Kapitalisten hatten am Ende dieser Phase am wenigsten Geld, während die Arbeiterklasse am meisten Geld hatte. Das macht erst beim zweiten Nachdenken Sinn: denn die Kapitalisten haben ja jetzt jede Menge Waren und Dienstleistungen, die sie erst in der kommenden Runde gewinnbringend verkaufen können. Dann wird der Gewinn daraus in neue Unternehmen reinvestieren und für Gehälter benötigt. Die Arbeiterklasse hingegen braucht das Geld für Bildung und Gesundheit.

 

Nach der Produktionsphase geht es weiter mit der Wahlphase, die in zwei Schritten abläuft. Zunächst füllt jede Klasse Wahlwürfel seiner Farbe in den Beutel. Dabei ist die Anzahl abhängig von der Population (Arbeiterklasse und Mittelschicht) oder der Anzahl an Unternehmen (Mittelschicht und Kapitalistenklasse). Je mehr Würfel eine Klasse im Beutel hat, desto wahrscheinlicher können sie politische Entscheidungen beeinflussen. Der Staat selbst hat keine Würfel im Beutel, kann aber dennoch mit Einfluss-Würfeln den Ausgang der Wahl beeinflussen. Im zweiten Schritt werden die Wahlen durchgeführt. Dabei wird über alle während der vorherigen Aktionsphase vorgeschlagenen Gesetzesentwürfe abgestimmt. Für jeden der sieben Politik-Bereiche kann immer nur ein Gesetzesentwurf vorgeschlagen werden, sodass es zu maximal sieben Abstimmungen kommt. Vor jeder Abstimmung müssen sich alle vier Klassen entscheiden, ob sie für oder gegen den Entwurf stimmen, wobei derjenige, der den Entwurf vorgeschlagen hat, automatisch dafür ist. Sind alle Klassen dafür, findet keine Wahl statt, der Entwurf ist direkt angenommen. Das wird aber nicht passieren! Oder zumindest sehr selten. Bei Uneinigkeit werden genau 5 Wahl-Würfel aus dem Beutel gezogen. Die Würfel-Farbe zeigt an zu welcher Klasse sie gehört. Mit 5 Wahl-Würfeln ist sichergestellt, dass es entweder mehr Stimmen für oder gegen den Gesetzesentwurf gibt. Aber hier hört der Spaß noch nicht auf. Jede Klasse kann im Spielverlauf Einfluss generieren, lila Würfel, die auf den Spieler Tableaus gesammelt werden. Diese kann nun jede Klasse in einem geheimen Bieterverfahren einsetzen, um die Entscheidung über den Gesetzesentwurf zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die Anzahl der Einfluss-Würfel jeder Klasse vor dem Start der Wahl ist dabei offene Information. Dann nimmt jeder verdeckt eine bestimmte Anzahl an Einfluss-Würfeln in die Hand, die er bieten möchte, von null bis alle. Alle vier Klassen legen dann ihr Gebot gleichzeitig offen. Die Summe der Einflusswürfel und Wahl-Würfel aus dem Beutel geben dann die Gesamtstimmzahl. Bei Unentschieden ist der Gesetzentwurf angenommen.

 

Aber was bringt der Politikbereich überhaupt? Tatsächlich ist dieser Bereich viel zentraler als man zu Beginn der Erstpartie vielleicht annehmen mag. Er reguliert so ziemlich alles im Spiel. So können die Kosten von Bildung und Gesundheit beim Staat zwischen kostenlos und 10 Münzen pro Einheit angepasst werden. Kostenlos ist natürlich super für die Arbeiterklasse, aber Achtung: zu viel Subvention kann dem Staat die Liquidität kosten! Dann schreitet der Internationale Währungsfonds ein. Auch der Steuermultiplikator wird durch die Politik reguliert. Die Kapitalisten wollen auf keinen Fall hohe Steuern, aber auch das kann den Staat gefährden. Mindestlohn ist ein anderer Politikbereich, der das Einkommen für die Arbeiterklasse und die Produktionskosten der Kapitalistenklasse beeinflusst. Und sogar die Einwanderung wird durch die Politik reguliert, sodass entweder zwei, drei oder vier zusätzliche Arbeiter der Mittelschicht und Arbeiterklasse in jeder Runde zur Verfügung stehen. Andere Politikbereiche bestimmen die Anzahl der öffentlichen Unternehmen und wie viele Kredite der Staat haben darf, bevor der IWF interveniert (Fiskalpolitik) und der Außenhandel, welcher die Steuern für Import von Nahrung und Luxusgütern und die Anzahl der ausliegenden Geschäfte für die Kapitalistenklasse reguliert.

 

Nach der Wahlphase geht es in die Wertungsphase. Jede Klasse hat hier unterschiedliche Bedingungen, um zusätzliche Siegpunkte zu generieren. Die Arbeiterklasse erhält 2 Siegpunkte pro Gewerkschaft. Die Kapitalistenklasse überträgt den erwirtschafteten und versteuerten Ertrag aus der laufenden Runde in den Kapitalbereich. Sie erhält dann Siegpunkte gemäß dem gesammelten Kapital und bewegt seinen Marker auf der Kapitalleiste vor, wenn das Kapital angestiegen ist, um Bonus-Siegpunkte zu erhalten, nämlich 3 Siegpunkte für jeden Schritt, den sie auf der Leiste vorgekommen ist. Die Mittelschicht erhält ein Wohlstand gratis, wenn die Anzahl ihrer voll betriebsfähigen Unternehmen größer ist als ihr aktueller Wohlstand. Damit sind direkt Siegpunkte verbunden, je nachdem wie hoch der Wohlstand ist, zwischen 1 und 7 Siegpunkten. Der Staat bekommt Mali auf den Legitimitätsleisten, sollten Ereignisse während der Aktionsphase nicht abgehandelt worden sein. Im Anschluss gibt es Siegpunkte für die zwei Legitimitätsleisten, die am weitesten hinten liegen. Danach werden alle 3 Leisten im Wert halbiert. Zusätzlich gibt es in jeder Runde eine politische Agenda für die ersten 5 Politik-Bereiche. Jede politische Ausrichtung, die damit übereinstimmt, gibt einen Siegpunkt für den Staat. Das ist wichtig, weil die anderen drei Klassen in diesen Bereichen klarere Ziele haben: Die Mittelschicht will die fünf Bereiche mittig orientiert, die Arbeiterklasse links orientiert und die Kapitalistenklasse rechts orientiert haben. Der Staat dagegen schwankt in jeder Runde in unterschiedliche Richtungen. Dafür gibt es für die anderen drei Klassen am Spielende Siegpunkte, wenn die politische Ausrichtung mit ihren Bedürfnissen übereinstimmt.

 

Nach der Wertungsphase der fünften Spielrunde endet Hegemony. Andernfalls beginnt die nächste Runde mit der Vorbereitungsphase. Hier müssen alle Klassen 5 Münzen Zinsen pro 50er Kredit zahlen, sollten sie einen Kredit haben. Verpflichtete Arbeiter in Unternehmen dürfen nun wieder kündigen oder den Betrieb wechseln und werden von der liegenden in eine aufgestellte Position gebracht, um dies anzuzeigen. Arbeiterklasse und Mittelschicht verlieren ein bzw. zwei Wohlstand und bekommen neue Arbeiter in den Arbeitslosen-Bereich gemäß Einwanderungspolitik; dadurch wird auch die Populationsleiste erhöht. Mittelschicht und Kapitalistenklasse können nicht benötigte Unternehmen in ihrer Auslage abwerfen und ihre Auslage vom Unternehmensdeck auffüllen, bis sie wieder drei bzw. vier Karten haben. Und für die Kapitalistenklasse gibt es neue Geschäfte und Export-Möglichkeiten. Der Staat zieht zwei neue Ereignisse und eine neue politische Agenda. Zuletzt ziehen alle Klassen fünf Aktionskarten von ihrem Deck, damit sie wieder sieben Karten auf der Hand haben.

 

Das waren bei weitem nicht alle Regeln und Details zum Spiel, wir hoffen aber einen guten Eindruck vermittelt zu haben was Hegemony ausmacht und wie ihr euch den Spielfluss vorstellen könnt.

 

 

Bildergalerie von Hegemony (14 Bilder)

Spielmaterial

 

Material des Grundspiels

  • 1 Spielbrett
  • 4 Spieler Boards
  • 1 Stoffbeutel
  • 4 kleine Spielerhilfen
  • 4 große Spielerhilfen
  • 1 allgemeine Spielhilfe
  • 1 Regel für das Grundspiel

 

Insgesamt 325 Karten:

  • Je 40 Aktionskarten für Arbeiterklasse (rot), Mittelschicht (gelb), Kapitalistenklasse (blau) und Staat (grau)
  • 2 Genossenschaften für die Arbeiterklasse
  • 17 Unternehmen der Mittelschicht
  • 28 Unternehmen der Kapitalistenklasse
  • 12 öffentliche Unternehmen
  • 16 Export Karten
  • 10 Politische Agenda Karten
  • 25 Ereigniskarten
  • 25 Karten ‚Einwanderung‘ (kleines Format)
  • 20 Karten ‚Geschäfte‘ (kleines Format)
  • 10 Kredite (kleines Format)

 

Insgesamt 219 Tokens:

  • 24 Nahrung (10x‘1‘, 9x‘3‘, 5x‘5‘)
  • 24 Luxus (10x‘1‘, 9x‘3‘, 5x‘5‘)
  • 24 Gesundheit (10x‘1‘, 9x‘3‘, 5x‘5‘)
  • 24 Bildung (10x‘1‘, 9x‘3‘, 5x‘5‘)
  • 82 Münzen (in 1er, 5er, 10er, 20er, 50er und 100er)
  • 18 Legitimität (je 6 für Arbeiterklasse, Mittelschicht und Kapitalistenklasse)
  • 2 Wohlfahrt
  • 6 Lager
  • 1 Freihandelszone
  • 6 Maschinenteile
  • 1 Demonstration
  • 7 Streik
  • 48 Arbeiter der Arbeiterklasse (in sechs verschiedenen Farben)
  • 42 Arbeiter der Mittelschicht (in sechs verschiedenen Farben)
  • 75 Wahl Würfel (in drei Farben)
  • 30 Einfluss Würfel (lila)
  • 4 Wertungsmarker (jeweils 1 für jede Klasse)
  • 12 Wahl Marker (3 für jede Klasse in der jeweiligen Farbe)
  • 3 Legitimitätsmarker für den Staat (blau, rot, gelb)
  • 2 Wohlstandsmarker für die Arbeiterklasse (rot) und die Mittelschicht (gelb)
  • 1 Kapitalmarker (blau) für die Kapitalistenklasse
  • 7 Politikmarker (schwarz)
  • 42 schwarze Würfel
  • 1 Rundenmarker
  • 1 Steuermultiplikator Marker

 

Material der Erweiterung

 

Automas:

  • 90 AI Karten (je 30 für Arbeiterklasse, Mittelschicht und Kapitalistenklasse)
  • 38 Anweisungskarten (10 für Arbeiterklasse, 11 für Kapitalistenklasse, 13 für Mittelschicht und 4 für die Wahl und Politiken)
  • 21 Politik-Prioritätskarten
  • 18 Aktions-Prioritätskarten
  • 24 Prioritäts-Reihenmarker

 

1 Regel für die integrierte Erweiterung Krise und Kontrolle

  • Weitere Komponenten:
  • 19 Krisen Karten
  • 3 Bündnis Karten
  • 2 Lock Token
  • 25 alternative Ereigniskarten
  • 20 zusätzliche Aktionskarten (5 für jede Klasse)
  • 20 geheime Agendakarten (5 für jede Klasse)


Cover & Bilder © Cover: Giant Roc/Hegemonic Project Ltd. / Bilder im Artikel und Teaserbild: www.sofahelden.de


Das Fazit von: 2-PL4Y3R5

2-PL4Y3R5

Spielspaß: Ein einzigartiges Spiel, das zu jeder Sekunde spannend war und Spaß gemacht hat. Jede Sekunde, sogar die 7-stündige Erstpartie eingenommen. Politik ist eigentlich überhaupt nicht unser Thema. Aber wir lieben thematische Spiele. Und Hegemony könnte thematischer nicht sein. Alle Mechanismen haben Sinn ergeben. Im Grunde haben wir durch Hegemony Politik entdeckt. Während der Erstpartie konnten wir politische Zusammenhänge in einem ganz neuen Licht sehen. Das ging mit richtigen Aha Momenten einher, nach dem Motto „oh, das macht ja alles total Sinn“, sodass wir uns Hegemony auch als Lernspiel gut vorstellen können. Die Kapitalistenklasse will nur Profit, muss sich aber irgendwie mit den arbeitenden Klassen gut stellen, denn ohne geht es nicht. Der Staat hingegen versucht immer nur kurzfristig zu reagieren und aktuelle Probleme zu lösen und hat keine langfristige Agenda. So realistisch, deshalb ist Hegemony nicht nur ein Spiel, sondern eine Simulation.

Warum das alles so sehr Spaß gemacht hat, lag vor allem auch daran, dass man sich tatsächlich mit seiner Rolle identifiziert hat, alle Rollen voneinander abhängig sind und so ein sehr interaktives Spiel zustande kommt, in dem alle Spieler im ständigen Austausch miteinander stehen. Politik eben. Mechanismen und Spielelemente sind dabei so ineinander verzahnt, dass es auch sehr viel Spaß gemacht hat, diese Zusammenhänge während der Erstpartie zu entdecken. Dabei war das Spiel selbst zu keinem Zeitpunkt überfordernd, was man bei Experten-Spielen ja befürchten könnte. Die Tatsache, dass meist irgendwie alle Spieler involviert waren und sich ständig Gespräche und Diskussionen am Tisch ergaben, machte Hegemony zu einem besonderen Spielerlebnis. Hegemony ist dennoch ein ganz schöner Brocken, und das sollte man vor dem Kauf wissen. Nichts für Zwischendurch. Aber es hat unglaublich Spaß gemacht. Nimmt man die Einzigartigkeit des Spiels hinzu, würden wir der Spielerfahrung sogar den Stempel „Allgemeinbildung für Vielspieler“ aufdrücken. Ausprobieren!

 

Balancing/Glücksfaktor: Hegemony ist ein Politikspiel, in dem jeder Spieler eine andere Klasse vertritt. Jede Klasse hat sich teilweise überschneidende, aber doch grundverschiedene Spielweisen und Ziele. Jede Klasse hat andere Spieler Tableaus, andere Kartendecks, verschiedene Aktionen zur Verfügung und bekommt auch für gänzlich Unterschiedliches Siegpunkte. Damit ist Hegemony extrem asymmetrisch. Punktetechnisch haben wir jedoch keine Klasse identifizieren können, die Vorteile hat. Insgesamt gingen alle Partien relativ knapp aus, auch wenn im Spielverlauf manche Klassen früher als andere Punkte generieren. Nicht täuschen lassen!

Hegemony ist ein sehr verzahntes Strategiespiel mit relativ wenig Glückselementen. Für Mittelschicht und Arbeiterklasse sind die Qualifikationen der Einwanderer oft sehr wichtig, wobei ein Teil davon zufällig über ein Kartendeck bestimmt wird. Auch braucht es etwas Glück, dass die richtigen Aktionskarten zum richtigen Zeitpunkt auf der Hand sind. Ansonsten muss man weniger mächtige Basisaktionen ausführen, die auch alles abdecken, aber eben keine kleinen Boni oder Zusätze haben, wie sie auf den Aktionskarten zu finden sind. Von Kartendecks abgesehen resultiert aus der Verzahnung und Abhängigkeit der Spieler voneinander, dass der persönliche Erfolg auch teilweise vom Verhandlungsgeschick oder dem Wohlwollen der Mitspieler abhängig ist. Kommunikationsskills und Überzeugungskraft können hier helfen, wie im echten Leben. Und besser man verscherzt es sich als Kapitalist nicht mit den Arbeitnehmern, sonst wandern sie in den öffentlichen Sektor. Durch zwischenmenschliche Faktoren lassen sich Pläne eben nicht genau kalkulieren. Menschen sind einfach unberechenbar. So können der Arbeiterklasse Streik und Demos Hilfsmittel sein, aber der Kapitalist kann immer noch sagen ‚nö, dann leg ich das Werk eben still‘.

 

Komplexität/Regeln: Für ein Expertenspiel hat uns Hegemony in der Erstpartie erstaunlich wenig Kopfschmerzen bereitet. Der Spielfluss ist sehr intuitiv. Während der Aktionsphasen läuft das Spiel sehr flüssig: eine Karte spielen oder Basisaktion ausführen und optional eine freie Aktion. In den Phasen zwischen den Aktionsphasen (Vorbereitung, Produktion, Wertung, Wahlen) hingegen bleibt es nicht aus in der Erstpartie strikt Punkt für Punkt und gemeinsam gemäß Anleitung abzuhandeln, zumal jede Klasse in den einzelnen Phasen auf andere Dinge achten muss. Es gibt eine Rundenübersicht, die sehr hilfreich ist. Aber zumindest für die Erstpartie bleibt ein Blick in die Anleitung nicht aus.

Die Komplexität in Hegemony ergibt sich im Wesentlichen durch zwei Dinge. Erstens dem Zusammenspiel der verschiedenen Klassen. Jede Klasse hat andere Ziele, selten kann eine Klasse aber diese Ziele alleine erreichen. Alle Klassen sind irgendwie voneinander abhängig. Der Kapitalist zum Beispiel muss sich mit den Arbeitern und der Mittelschicht gut stellen, denn ohne Arbeitskräfte kein Profit. Zweitens resultiert die Komplexität auch dadurch, dass nicht alle Konsequenzen bestimmter Aktionen offensichtlich sind. Oft haben Aktionen Vor- und Nachteile. Vorteile können kurzfristig, Nachteile erst mittel- oder langfristig spürbar sein. Dies zu antizipieren ist die eigentliche Herausforderung. Im Übrigen haben wir auch die vier verschiedenen Klassen als unterschiedlich komplex empfunden. Wir stufen die Kapitalistenklasse als am schwierigsten zu spielen ein, dicht gefolgt von Mittelschicht und Arbeiterklasse und relativ weit entfernt vom Staat, der uns am simpelsten erschien.

Das Regelwerk hat 34 Seiten und eignet sich sehr gut als Nachschlagewerk. Es gliedert sich in Abschnitte für die verschiedenen Klassen und handelt für jede Klasse die Regeln für die verschiedenen Spiel-Phasen ab. Diese Regeln sind nochmal jeweils auf 2 Seiten je Klasse zusammengefasst, die als Spielerhilfen aus Pappkarton beiliegen. Das ist sehr gelungen und reicht in 95% der Fälle aus, um Zwischenfragen während des Spiels zu klären. Mit der Regel für die Erweiterung, welche auch die Automas abdeckt, hatten wir allerdings ein paar Probleme. Hier hätten wir uns insbesondere für den Ablauf der Wahl mit Automas eine Abbildung oder bessere Definition der Begriffe gewünscht (Stichwort: Gesamteinfluss). Unser Test-Spiel mit simplen Automas hat uns auch wegen Regelunklarheiten nicht vom Hocker gerissen.

 

Spielerinteraktion/Spieleranzahl: Sehr interaktiv, es wird in fast jedem Spielerzug diskutiert und verhandelt: Lohnerhöhung, sonst werde ich streiken! Stimmst du auch für geringere Steuern, wenn ich den Gesetzesentwurf vorschlage? Ich möchte eine Arztpraxis eröffnen, kannst du einen deiner Arbeitslosen entsprechend qualifizieren, dass er bei mir anfangen kann? Aber es geht nicht nur um Verhandlung. Auch das gefühlt eigene Spielmaterial kann von den Mitspielern bewegt werden, so können die Kapitalisten Unternehmen gründen und direkt Arbeitslose Mittelschichtler verpflichten. Da waren die Pläne für die Selbstständigkeit erstmal dahin. Schlimmer noch, die Arbeiter produzieren für die Kapitalisten im Verlagswesen Einfluss, und jetzt ist der Ausgang der kommenden Wahl gefährdet. Jetzt wird wohlmöglich doch noch der Mindestlohn herabgesetzt. Hegemony ist wahnsinnig verzahnt und viele Aktionen beeinflussen direkt oder indirekt alle anderen Fraktionen auf sehr unterschiedliche Weise.

Unsere Erstpartie haben wir zu dritt gespielt, d.h. mit Arbeiterklasse, Mittelschicht und Kapitalistenklasse, aber ohne den Staat. Wir haben auch keinen Automa für den Staat verwendet. Das hat alles erstaunlich gut funktioniert. Die Zweitpartie zu zweit verlief dann sehr flüssig und auch für diese Spielerzahl können wir eine Empfehlung aussprechen. Tatsächlich macht es durchaus Sinn mit niedrigen Spielerzahlen vorzufühlen, damit es nicht allzu viele Regeln sind, die man direkt zu Beginn lernen muss. Auch, wenn Hegemony mit allen vier Klassen erst eine vollständige Erfahrung bietet, sind die anderen Spielerzahlen für sich dennoch spielenswert. Den Staat haben wir in einer Partie zu zweit mit zwei Automas (Arbeiterklasse und Mittelschicht) getestet – auch das ist möglich, aber wir finden die Automas sind kein richtiger Ersatz für echte Menschen, gerade weil es sich bei Hegemony um eine so interaktive Erfahrung handelt.

 

Spieldauer: Unsere Erstpartie zu dritt hat ganze 7 Stunden gedauert. Aber es hat sich bei weitem nicht so lange angefühlt und hat während der gesamten Dauer Spaß gemacht. Die erste Runde hat mit Abstand am längsten gedauert, weil es eben doch noch ein paar Regelfragen gab – es war die Erstpartie für alle Mitspieler. Zudem haben wir keine Phase parallel gespielt, so wurden z.B. auch die Steuern nacheinander berechnet. Außerdem haben wir teilweise relativ lange diskutiert, über sinnvolle Strategien oder aber auch verhandelt und Bündnisse geschmiedet. Wir haben uns aber auch in die Spielthematik reingedacht und einfach das Spiel genossen, uns Zeit gelassen. Mit durchschnittlich 3-4 Stunden sollte man dennoch rechnen, je nach Dynamik der Spieler am Tisch. Zwar ist ein Spielerzug mechanisch relativ schnell gespielt: eine Basisaktion und eine freie Aktion. Aber die Phasen zwischen den Aktionsphasen jeder Runde, die Diskussionen am Tisch und die immerhin 25 Züge pro Spieler dauern natürlich seine Zeit. Und das ist auch gut so. Denn langweilig war Hegemony zu keinem Zeitpunkt, auch während der downtime nicht. Jeder ist immer irgendwie involviert und die Aktionen eines jeden können auch für einen selbst sehr entscheidend sein. Unsere zweite Partie zu zweit ging mit knapp über 3 Stunden wesentlich schneller. Die dritte Partie zu zweit mit zwei Automas kam dann allerdings sehr nah an die Dauer der Erstpartie heran, vor allem wegen Regelunsicherheiten.

 

Wiederspielbarkeit: Die Komplexität und Verschachtelung der Spielmechanismen sorgt dafür, dass eine Lernpartie notwendig ist, bis man weiß wie eine Klasse zu spielen ist. Und dann möchte man noch einmal in derselben Rolle und idealerweise in derselben Besetzung spielen. Auch möchte man gerne alle vier Klassen in 4-Spieler-Partien ausprobieren, und evtl. auch die Automas mit geringerer Spieleranzahl? Innerhalb einer Partie kommt man nicht durch das gesamte Kartendeck, weder sieht man alle Aktionskarten noch Unternehmen (Kapitalisten und Mittelschicht) oder Ereignisse (Staat). Außerdem bringt die in der deutschen Edition integrierte Erweiterung neben den Automas noch alternative Ereignisse und zusätzliche Aktionskarten, die für noch mehr Interaktion sorgen.

Die Spieldauer sorgt hier maßgeblich und natürlicherweise für Punktabzug. Außerdem befürchten wir, dass es nach ein paar Partien mit einer Klasse vielleicht doch langweilig werden könnte, weil jede Klasse natürlich am Ende doch immer dasselbe tut. Auf der anderen Seite bietet Hegemony sehr viele Stunden abwechslungsreichen Spielspaß, bevor das so weit ist. Und wir sind nach drei Partien, trotz der Spieldauer und der riesigen Spieleauswahl in unserem Regal immer noch hungrig auf mehr!


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