Mortal Shell
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BEWERTUNG |
08.09.2020 von Beef SupremeFrom Software kann sich auf die Schultern klopfen. Gefühlt vergeht kaum eine Woche, in der nicht jemand versucht, auch mal seine Füße in den See der Dunklen Seelen zu dippen. Auch Mortal Shell geniert sich nicht und setzt zum selbstbewussten Flachköpper an. Das Debut des noch frischen Studios Cold Symmetry macht keinen Hehl aus seiner Inspirationsquelle, bringt aber auch eigene frische Ideen ein. Kann Mortal Shell den Seelendurst stillen?
Wie für ein Soulslike üblich führt ein düsteres, kryptisch formuliertes und bedeutungsschwanger vorgetragenes Intro in das Spiel ein, das fürderhin mit Story geizen wird. Man erwacht als geschlechtsloses, namenloses, humanoides Wesen in einer Art Zwischenwelt, das als Tutorial fungiert. Nach den ersten Gehversuchen fängt man sich schon die ersten tödlichen Schellen. Ist man ohne Hülle unterwegs, währt das Leben meist nicht lange. Doch die erste Hülle findet man früh im Spiel, was der eigenen Gesundheit sehr zuträglich ist.
Wie es sich für ein Action-RPG gehört, darf man seinen Charakter aufwerten, in diesem Fall aktuell bewohnte Hülle. Diese unterscheiden sich grundlegend voneinander und ermöglichen verschiedene Spielstile. Lebens- und Ausdauerbalken sind fix, auch gibt es keine Werte die sich verbessern lassen, also bleiben nur noch Fähigkeiten, die es freizuschalten gilt, um das Wehrrepertoire zu vergrößern. Jede der 4 Hüllen, die erst gefunden werden wollen, hat charakterspezifische Fähigkeiten, wie zum Beispiel die erste Hülle, Harros, die auf Härten spezialisiert ist. Sein Skilltree konzentriert sich auf die zweite Innovation aus dem Hause Cold Symmetry und belohnt Experimente mit dieser Fähigkeit. Was Härten genau ist, wird im weiteren Verlauf erläutert.
Am deutlichsten wird das im Kampf. Zunächst das bereits angesprochene Härten. Auf Knopfdruck kann das Alter Ego in der derzeitigen Position erstarren und verbleibt so, bis entweder der Knopf losgelassen wird oder die Hülle Schaden erhält. Dieser wird komplett geblockt, völlig egal was für ein Angriff erfolgt ist. Nachteil, man kennt es vielleicht, es dauert immer eine Weile bis man wieder Erhärten kann. Da man in jeder Situation, in der Luft, während der Angriffsanimation oder Ausweichrolle Härten verwenden kann, ergeben sich dadurch viele praktische Möglichkeiten, den Tod über die Gegnerhorden zu bringen, ohne selbst Schaden zu erleiden und lädt zum Experimentieren ein.
Wenn man nicht gerade kämpft ist man mit der Erkundung Fallgrims und Umgebung beschäftigt. In den schön gestalteten, aber zum Teil verwirrend aufgebauten Gebieten sind viele schöne Sachen für den Reiserucksack platziert, die der Hülle das Überleben leichter machen sollen. Hier kommt eine weitere gute Idee ins Spiel, nämlich das Familiarity-System. Findet man einen Gegenstand zum ersten Mal, hat man zunächst keine Ahnung, wofür er gut ist. Das zeigt sich erst bei Benutzung. Ein gelungenes System, um dem klassischen Hoarding entgegenzuwirken denn es fördert Neugier und auch mal den blinden Einsatz von Items. Damit ist es aber nicht getan, denn je öfter man einen Gegenstand benutzt, desto vertrauter wird man mit ihm und dadurch steigert sich die Effektivität oder ändert deren Eigenschaften vollständig. Ein gutes Beispiel stellt ein Pils dar. Gönnt man sich diesen zum ersten Mal vergiftet man sich selbst.
Tut man das allerdings oft genug, bewirkt er irgendwann Immunität gegen Gift. So greift man doch gern immer mal wieder in die Inventar-Wundertüte.
Fallgrim selbst ist zentral gelegen und dient als Verbindungsstück zu den 4 außenliegenden Gebieten. Die Reihenfolge kann man sich aussuchen. In jedem Gebiet befinden sich eine Waffe und eine Hülle, die mal besser, mal schlechter versteckt sind. So schön die Gegenden anzusehen sind, dreckige Sümpfe, Ehrfurcht gebietende, weitläufige Obsidian-Architekturen oder beengte, kalte Höhlen, so verwinkelt und verwirrend sind sie aufgebaut. Nicht immer ist klar, wo man sich gerade befindet oder wo es weitergeht. Hier hätten ein paar mehr Landmarken oder Orientierungspunkte nicht geschadet. Diese gewisse Orientierungslosigkeit führt auch dazu, dass einem auch mal gerne ein Schwert in den Rücken gerammt wird. Was die Gegnerplatzierung anbelangt, hat es Cold Symmetry nicht gut mit ihrer Kundschaft gemeint und so manchen Widersacher fast schon unfair versteckt hat. Mehr als einmal wird es vorkommen, dass man aus dem Leben scheidet, weil man eine Ecke einfach nicht einsehen konnte. Solche kleinen Gemeinheiten sind aber noch zu verschmerzen, rufen sie einem doch in Erinnerung, dass Unaufmerksamkeit bestraft wird. Nicht zu verzeihen ist allerdings der Rückweg aus besagtem Obsidian-Level. So viel Frust verspürte ich selten in einem Spiel. Wer hielt es für eine gute Idee, den Spieler über einen schmalen Steg ohne Begrenzungen gegen eine Wand aus Armbrustbolzen zu schicken? Das ist kein Anspruch oder hoher Schwierigkeitsgrad mehr, sondern schlechtes Design. Glücklicherweise wiederholen sich solche Schnitzer nicht. Für den Rückweg aus dem Eternal Narthex sollte man aber eine hohe Frusttoleranz mitbringen.
Spielerisch hinterlässt Mortal Shell bis auf kleinere Aussetzer einen ziemlich guten Eindruck. Diesen kann die Technik in weiten Teilen unterstreichen. Grafisch braucht sich das Spiel nämlich nicht hinter aktuellen Titeln zu verstecken. Klar, eine Optik von The Last of Us Part 2 wird nicht erreicht, doch was an visuellem Bling Bling fehlt, wird durch atmosphärisches Artdesign aufgefangen. Mortal Shell sieht dreckig aus. Das gute Dreckig, das wo man sich so schön unwohl und bedroht fühlt, also genau das was ein Spiel, in dem der Tod hinter jeder Ecke lauert, vermitteln will.
Cover & Bilder © PLAYSTACK und cold symmetry, alle rechte vorbehalten. Das Fazit von: Beef Supreme
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