Unknown User
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BEWERTUNG |
15.01.2016 von Mario von CzapiewskiMit Unknown User startete im Juli 2015 ein vermeintlich neuartiger Vertreter des Found-Footage-Genres in den deutschen Kinos. Während klassische Found-Footage-Filme oft mit „normalen“ Kameras arbeiten um ihre Horrorgeschichte zu erzählen, versucht Unknown User den Videochat Skype in ein Horrorabenteuer zu verwandeln. Nun gibt es den Film auf DVD und Blu-ray und wir haben einen Blick darauf geworfen...
Eine Gruppe Jugendlicher wird während einer Skype-Konferenz von einem unbekannten Anrufer belästigt, der von sich behauptet eine tote Mitschülerin zu repräsentieren, welche sich zuvor auf Grund von massivem Internetmobbings selbst getötet hat. Der Unbekannte verwickelt die Jugendlichen in ein böses Spiel, das einen nach dem anderen das Leben kostet …
Wer denkt, dass das Konzept einen Computerdesktop mit einer darauf stattfindenden Geschichte zu zeigen etwas Neues darstellt, der irrt. Unknown User bedient sich schamlos und eindeutig bei zwei bereits dagewesenen Vorläufern, die in der Horrorcommunity mal mehr (Open Windows) und mal weniger (The Den) bekannt sind. Neu war dieses Konzept tatsächlich nur im Kino, wo Unknown User versuchte, das Massenpublikum zu erreichen. Tatsächlich schafft der Film dies im ersten Drittel erstaunlich gut. Die Charaktere werden glaubhaft eingeführt und die Umsetzung des Computerdesktops, den man fast die gesamte Filmlaufzeit lang betrachten darf/muss, ist realistisch umgesetzt. Positiv ist auch hier zu erwähnen, dass der gesamte Film vollständig eingedeutscht wurde.
Doch wenn dann die Bedrohung in Form eines unbekannten Anrufers im Videochat Einzug erhält, driftet der Film zunehmend in die Lächerlichkeit ab und verspielt seine gesamte erarbeitete Glaubwürdigkeit. Schnell wird klar, dass man es mit einem übernatürlichen Wesen zu tun hat, das versucht Einfluss auf die Jugendlichen auszuüben. Dies ist jedoch das grundlegende Problem des Films. In keiner Sekunde wirken die Aktionen des unbekannten Anrufers bedrohlich und angsteinflößend, da es offensichtlich jemand zu sein scheint, der alles zu jeder Zeit kontrollieren und verändern kann, wie es ihm beliebt. Damit ist der erste Angriff auf die Glaubwürdigkeit geglückt, denn als Zuschauer distanziert man sich sofort vom Filmgeschehen und kommt auch so schnell nicht wieder rein.
Auch die zu Beginn noch recht realistische technische Ausarbeitung geht im Verlauf des Films immer mehr flöten. Spannungssteigernde Soundkulisse setzt an den unmöglichsten Stellen ein um Spannung vorzugaukeln, wo man es inszenatorisch offensichtlich nicht anders hinbekommen hat, und warum bei manchen Chats plötzlich die im Hintergrund weiterlaufende Skypeunterhaltung einfach ausgeblendet wird, bleibt wohl nur den Machern selbst vorbehalten. Dies verdeutlicht dem Zuschauer immer wieder „Mach dir nicht ins Hemd, du schaust einen Film“. Somit kann man sich als Zuschauer nur selten wirklich in den Film einfinden und wird ständig aus der Atmosphäre herausgerissen.
Grundsätzlich bietet Unknown User sehr wenige Schocks. Die wenigen Schreckszenen, die meistens aus aufpoppenden Videos bestehen, kündigen sich fast immer vorher an und sind damit zu vernachlässigen. Handlungstechnisch wird durchaus eine interessante Geschichte geboten, die jedoch im letzten Drittel der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Das bereits erwähnte „Spiel“ stellt nämlich den Tiefpunkt des Films dar und soll ihn schlicht und einfach mit Inhalt füllen, welcher eher aus einer Folge GZSZ hätte stammen können. So wünscht man sich relativ schnell den Tod aller Beteiligten, was auch die grundlegende „Anti-Mobbing“-Aussage des Films ad absurdum führt. Schade.
Noch eine kleine Notiz zur deutschen FSK-Freigabe. Während der Film in den USA eine zurecht hohe Freigabe (R-Rated) erhalten hat, bekam der Film im Kino unfassbarer Weise hierzulande eine FSK 12 (in Begleitung eines Elternteils ab 6 Jahre) spendiert. Laut der offiziellen Begründung der deutschen Jugendschutzbehörde FSK seien "die Bilder meist wenig explizit“ und man "könne[n] sie [sie] im Kontext der deutlich fiktionalen Genreerzählung verarbeiten“, somit sei "eine desorientierende Wirkung [ist] aufgrund des klaren und letztlich positiven Appells zu verantwortungsbewusstem Internetumgang auszuschließen“ (vgl. fsk.de). Diese Behauptung ist schlichtweg eine Frechheit und schlägt jedem Elternteil, dass versucht sich verantwortungsbewusst nach den FSK-Freigaben zu orientieren ins Gesicht. Der Film bietet drei sehr explizite Gewaltszenen, die im Kontext des Films nicht einmal nötig gewesen wären und weit über das hinausgehen, was vergleichbare Genre-Kollegen wie The Blair Witch Project oder Paranormal Activity boten. Zusätzlich ist auch die Begründung des „positiven Appells“ Unfug, da diese Begründung in der Theorie auch auf viele Slasherfilme anzuwenden wäre - diese aber niemals von ihren FSK 16+ Freigaben befreien würde. Dass ein Jugendlicher oder Erwachsener sich schnell durch die bereits erwähnten technischen Inszenierungsprobleme des Films von dem Geschehen distanzieren kann, ist klar und einfach nachzuvollziehen, jedoch kann diese Argumentation in keinem Fall auf ein Kind im Alter von 6-14 Jahren angewendet werden. Somit ist der Film auf keinen Fall und unter keinen Umständen für Kinder unter 16 Jahren geeignet.
Auf Grund einer Appellation des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wurde bei der Neuprüfung für die Heimkinoveröffentlichung eine Freigabe ab 16 Jahren erreicht. Somit erhielt der Film zumindest in der käuflichen Variante seine verdiente Freigabe. Cover & Bilder © www.sofahelden.de Das Fazit von: Mario von Czapiewski
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