Alone - Du kannst nicht entkommen
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BEWERTUNG |
05.04.2021 von Dan DeMento
Der durchschnittliche Amerikaner liest nicht gerne Untertitel oder sieht synchronisierte Filme. Was tut er also, wenn ihm ein ausländischer Stoff gefällt? Genau, er dreht den Film einfach nochmal auf heimischem Terrain. So geschehen auch mit dem schwedischen Thriller Försvunnen, der als Alone - Du kannst nicht entkommen jetzt - knapp 10 Jahre nach dem Original - seinen Weg in die Heimkinos findet.
Inhalt:
Jessica (Jules Wilcox) braucht nach dem Suizid ihres Ehemannes dringend einen Neustart, also packt sie all ihre Habseligkeiten in einen Anhänger und macht sich auf den Weg Richtung Norden. Nachdem sie bei einem riskanten Überholmanöver auf der Autobahn mit einem Geländewagen aneinandergerät, lauert der Fahrer des Wagens (Marc Menchaca) ihr wenig später auf einem Rastplatz auf und kommt ihr unangenehm nahe. Jessica flieht, nur um dem Mann nachts im Wald erneut zu begegnen. Diesmal überwältigt und entführt er sie und macht ihr unmissverständlich klar, dass sie diese Gefangenschaft nicht überleben wird. Jessica gelingt es in die undurchdringlichen Wälder zu fliehen, doch jetzt muss sie sich nicht nur gegen Regen, Kälte, Verletzungen und Hunger behaupten, auch ihr Entführer ist ihr weiterhin dicht auf den Fersen...
Dass Schweden einer der großen Exporteure für dunkle, bösartige Thriller ist, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl Stieg Larssons Millenium-Trilogie, oder auch Låt den rätte komma in, der in Deutschland unter dem Titel So finster die Nacht erschien. Und ebenso bekannt wie diese Tatsache ist, dass das US-Publikum sich mit ausländischen Produktionen recht schwer tut. Alles was also den Verdacht auf Erfolg verheißt, wird kurzerhand neu gedreht. Während sich David Fincher dem ersten Millenium-Teil Verblendung annahm, der trotz Daniel Craig und Rooney Mara in den Hauptrollen kein großer Erfolg war, kümmerte sich Cloverfield-Regisseur Matt Reeves um So finster die Nacht, machte daraus Let Me In mit Chloë Grace Moretz und erzielte ein deutlich besseres Ergebnis. US-Remakes schwedischer Stoffe haben also eine gewisse Tradition und so war es nach dem Erfolg von Försvunnen - der in Deutschland als Night Hunt - Die Zeit des Jägers erschien - nur eine Frage der Zeit, bis auch ihm dieses Schicksal zuteil werden würde.
Mit den ganz großen Namen kann Alone - Du kannst nicht entkommen allerdings nicht aufwarten. Regisseur John Hyams kennt man vor allem durch den fünften und sechsen Teil der Universal Soldier Reihe, Hauptdarstellerin Jules Wilcox hatte eine Nebenrolle in der Netflix-Serie Bloodline und "Der Mann" Marc Menchaca glänzte bisher auch hauptsächlich durch Gastauftritte in Serien wie Homeland, FlashForward oder Elementary. Diesem Umstand, gepaart mit der Coronasituation dürfte es geschuldet sein, dass der Film ziemlich unter dem Radar läuft und klammheimlich für den heimischen Player erschien.
Das ist ziemlich schade, weil Alone - Du kannst nicht entkommen nicht nur ein ziemlich gutes Remake, sondern auch für sich allein genommen ein recht unterhaltsamer Thriller ist. Natürlich ist die Story nicht gerade innovativ und mit allzu großen Überraschungen sollte man als Zuschauer nicht rechnen, die Umsetzung ist aber sehr gut gelungen. Dabei hält sich die Neuverfilmung nah am Original und ist gerade in der ersten halben Stunde quasi ein Shot by Shot Remake. Der erste drastische Unterschied zeigt sich dann aber bei der ersten Begegnung mit dem namenlosen Jeepfahrer. Während dieser die Hauptdarstellerin im Original vollkommen grundlos bedrängte, lässt sich das hier eingefügte Überholmanöver zumindest beinahe als Provokation verstehen. Das gibt der Geschichte einerseits ein wenig Glaubwürdigkeit, nimmt ihr aber auch die vollkommene Willkür, die maßgeblich zum Horror der schwedischen Version beitrug.
Im Laufe der Handlung werden die Unterschiede dann deutlicher. So wird die Hintergrundgeschichte, die im Original recht schwammig war, dem Zuschauer hier hollywoodtypisch vorgekaut, ohne dass sie eine wirkliche Bereicherung wäre. Zum anderen wurde die Figur des Stefan, der in Night Hunt das Schicksal der Hauptfigur für eine gewisse Zeit teilte, komplett gestrichen. Der Charakter hatte zwar zugegebenermaßen schon damals wenig Sinn, sorge aber zumindest bei seinem Erscheinen für eine zusätzliche Spannungsebene, die jetzt komplett fehlt. So konzentriert sich Alone - Du kannst nicht entkommen jetzt noch stärker auf die Hauptfigur und ihr Schicksal. Das ist zwar konsequent, nimmt der Geschichte aber auch ein wenig Tiefe. Der Showdown ist zwar noch immer die Schwachstelle der Story, ist jetzt aber erheblich härter inszeniert und somit deutlich glaubwürdiger.
Ein großer Vorteil des Remakes ist auch die bessere technische Umsetzung, was vor allem in den Nachtszenen extrem auffällt. Während man die nächtliche Handlung in Night Hunt mehr erraten musste als sie zu sehen, ist Alone - Du kannst nicht entkommen wesentlich besser ausgeleuchtet und so kann man nicht nur erkennen, wo die Hauptfigur hingeht, sondern auch die Emotionen aus ihrem Gesicht lesen. Dieser Umstand ist offensichtlich auch den Machern aufgefallen und wurde umgehend dazu genutzt, die Verfolgungsjagd im Dunkeln mit einem pseudopsychologischen, melodramatischen Monolog des Entführers zu "würzen", der es leider schafft, dem Moment jeden Horror zu nehmen.
Leider ist die Figur des Entführers allgemein der größte Schwachpunkt von Alone - Du kannst nicht entkommen. Nicht nur dass die Darstellung von Marc Manchaca allgemein etwas eindimensional ist, wer auch immer ihm diesen Schnauzer und diese Brille verpasst hat, gehört den Göttern der schlechten Klischees geopfert. Nichts zerstört den Spannungsaufbau so, wie wenn jede Faser des Outfits der Figur VORSICHT SERIENKILLER brüllt. Hauptdarstellerin Jules Wilcox dagegen wirkt durchgehend authentisch und liefert eine ebenso großartige Leistung ab wie seinerzeit Sofia Ledarp im Original.
So bietet Alone - Du kannst nicht entkommen dem schwedischen Original gegenüber ungefähr genauso viele Vor- wie Nachteile und bleibt letztlich Geschmackssache. Für Zuschauer, die Night Hunt nicht kennen, ist er ein spannender, gut gemachter Survival-Thriller ohne echte Überraschungen, aber auch ohne echte Schwächen. Genrefans machen damit also auf jeden Fall nichts falsch.
Details der Blu-ray:
Bild und Ton bieten keinerlei Anlass zur Kritik, auch und gerade in den oben bereits erwähnten Nachtszenen ist das Bild klar, scharf und störungsfrei. Die deutsche Synchronfassung ist handwerklich in Ordnung, gerade die Stimme der Hauptfigur ist aber nicht unbedingt eine Meisterin ihres Fachs. An Bonusmaterial gibt es eine Featurette, ein Behind the Scenes Video und einige Trailer. Das uns für diese Rezension vorliegende Mediabook bietet außerdem eine zweite Blu-ray mit dem schwedischen Original Night Hunt - Die Zeit des Jägers sowie ein 24-seitiges Booklet mit spannenden Informationen zum Film und zu Regisseur John Hyams.
Cover & Bilder © Koch Films GmbH / Produktfotos: www.sofahelden.de Das Fazit von: Dan DeMento
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